# taz.de -- Regierung gegen einheitliches Vorgehen: Kaum Aufklärung über Nazi… | |
> Die Opposition fordert, dass nach dem Auswärtigen Amt auch andere | |
> Ministerien ihre NS-Vergangenheit aufarbeiten. Doch geplant ist bisher | |
> wenig. | |
Bild: Nicht länger als einziges Ministerium im Visier der NS-Aufklärer: Das A… | |
BERLIN taz | Die Opposition fordert nach der Veröffentlichung der Studie | |
über die Rolle des Auswärtigen Amts während der Nazizeit jetzt auch eine | |
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit anderer Ministerien und Behörden. "Wir | |
wollen einheitliche Maßnahmen, die auch die konkreten personellen | |
Verstrickungen und Kontinuitäten aufzeigen", sagte Josef Winkler, grüner | |
Bundestagsabgeordneter, der taz. | |
Die Linkspartei fordert in einem Bundestags-Antrag, bis Ende der | |
Legislaturperiode eine wissenschaftliche Aufarbeitung aller in Frage | |
kommenden Ministerien auf den Weg zu bringen. Zudem müssten vorhandene | |
Studien zur NS-Geschichte hinsichtlich des personellen und inhaltlichen | |
Übergangs in die BRD ausgeweitet werden. "Es muss aufgezeigt werden, | |
inwieweit die alten Eliten den Aufbau der Bundesrepublik bestimmt und damit | |
beschädigt haben", sagte der Bundestagsabgeordnete Jan Korte zur taz. | |
Eine taz-Umfrage ergab, dass in wenigen Ministerien derartige Aufklärung | |
stattfand. Das Bundesinnenministerium erklärt, es stehe "nicht in der | |
Kontinuität oder Tradition des nationalsozialistischen Reichsministerium | |
des Inneren". Dennoch liefen drei Vorhaben, die die Rolle der Polizei sowie | |
die Frühgeschichte von BKA und BND untersuchen. Zudem stünden Akten des | |
Reichsministeriums der Forschung zur Verfügung. | |
"Zu viele Akten sind als geheim eingestuft", kritisiert dagegen | |
SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Es müsse eine externe Kommission | |
eingesetzt werden, die die Vergangenheit aufarbeitet. Eine "gewisse | |
Aufgeschlossenheit dazu" habe er von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) | |
vernommen. "Das, was im Auswärtigen Amt geschehen ist, sollte in jedem | |
anderen Ministerium selbstverständlich sein", sagte Wiefelspütz. | |
Eine Sprecher des Bundesjustizministeriums verweist auf Studien aus den | |
70er und 80er Jahren, bei denen auch die Frage der personellen Kontinuität | |
eine Rolle gespielt haben sollen. "Die Rolle des Ministeriums während der | |
NS-Zeit wurde umfassend untersucht. Wir sehen keinen weiteren | |
Handlungsbedarf." | |
Gerade das Justizministerium habe massiv Aufklärungsbedarf, sagt Jan Korte. | |
"Es ist noch immer nicht endgültig geklärt, welche NS-Leute in der | |
bundesdeutschen Justiz tätig waren." | |
Das Bundesarbeitsministerium verweist lediglich auf allgemeine historische | |
Forschung, die auch die Rolle des Reichsarbeitsministeriums beleuchtet | |
habe. Auch das Verbraucherschutzministerium plant keine Studien. Noch unter | |
Ministerin Renate Künast (Grüne) wurden Historiker mit der Aufarbeitung | |
beauftragt. Die Studie enthält eine 60-seitige Namensliste von Beteiligten. | |
"Bei der Frage, ob Nachrufe zu ehemaligen Mitarbeitern erstellt werden, | |
wird u. a. auf das Gutachten zurückgegriffen", heißt es. | |
Der ehemalige SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat 2006 die | |
"antijüdische Politik des Reichsverkehrsministeriums zwischen 1933 und | |
1945" aufklären lassen. Wer von den ehemaligen Mitarbeitern auch nach dem | |
Krieg beschäftigt wurde, wurde nicht untersucht. Weitere Studien sind nicht | |
geplant. | |
Die personelle Kontinuität wurde auch im Finanzministerium nicht geprüft. | |
Eine 2009 eingesetzte Historikerkommission beschäftigt sich momentan mit | |
der Zeit bis 1945. | |
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat im September die Einrichtung | |
einer Historikerkommission geplant. Inwieweit auch personelle Kontinuität | |
untersucht wird, ist nicht geklärt. | |
Die Bundesregierung lehnt ein einheitliches Vorgehen ab. "Es liegt in der | |
Hand jedes Ministeriums, inwieweit eine wissenschaftliche Aufklärung als | |
sinnvoll erachtet wird", sagte ein Regierungssprecher der taz. | |
17 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rapid Wien und die Nazi-Zeit: "Alles Gute, Adi!" | |
Der österreichische Traditionsklub hat seine NS-Vergangenheit von | |
Historikern aufarbeiten lassen. Das Ergebnis: Spieler machten sich selten | |
schuldig, Funktionäre schon. | |
NS-Finanzministerium: Raub für die Volksgemeinschaft | |
Nach der Studie über das Auswärtige Amt untersucht jetzt eine Kommission | |
die Plünderung der Juden durch das Reichsfinanzministerium. | |
Fischer und Steinmeier über NS-Außenamt: Die Elite-Versager | |
Die Ex-Minister Steinmeier und Fischer sprachen in Berlin über die | |
Nazikontinuität im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik und wie die alten | |
Seilschaften funktionierten. | |
Historiker-Studie über NS-Diplomaten: "Mord als Dienstgeschäft" | |
Bei der Übergabe der Historikerstudie zur Rolle deutscher Diplomaten in der | |
Nazizeit findet Außenminister Guido Westerwelle ausnahmsweise mal das | |
richtige Maß. |