# taz.de -- Raketenabwehr gegen den Iran: Die Türkei in der Nato-Falle | |
> Die Nato will Abwehrraketen in der Türkei aufstellen. Die richten sich | |
> gegen den Iran. Doch die Türkei braucht iranisches Öl und will gute | |
> Beziehungen zum Nachbarn erhalten. | |
Bild: Soll weiter in Ruhe patrouilleren: Türkischer Soldat an der iranischen G… | |
ISTANBUL taz | Für den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül, | |
Außenminister Ahmet Davutoglu und Verteidigungsminister Vecdi Gönül wird es | |
heute ernst. Wenn die Nato über ihren neuen Raketenschutzschirm | |
entscheidet, muss die türkische Delegation in Lissabon Farbe bekennen. | |
"Einen Lackmustest für die Westbindung der Türkei", nannte es der | |
angesehene Kolumnist Mehmed Ali Birand im Vorfeld des Gipfels. | |
Es geht um den Bau von Radaranlagen und Antiraketenabschussstellungen, die | |
als Schutz vor neuen ballistischen Angriffsraketen auf dem Territorium der | |
Türkei gebaut werden sollen. Die Nato will, als Ersatz für die ursprünglich | |
in Tschechien und Polen geplanten Anlagen, ihre Mitgliedstaaten damit vor | |
Raketenangriffen aus Drittstaaten schützen - gemeint ist natürlich der | |
Iran, nur genannt werden soll die Mullah-Diktatur nicht. | |
Für die Türkei ist der Nato-Gipfel ein außenpolitischer Eiertanz. Seit die | |
neue Präferenz der türkischen Außenpolitik mit der Formel "Null Probleme | |
mit den Nachbarn" beschrieben wird, bemüht sich Ankara aktiv, mit allen | |
Nachbarstaaten bestehende Konflikte auszuräumen. Was sich zunächst einmal | |
auch für Nato und EU rundum erfreulich anhört, wird jedoch aus Washingtoner | |
und Brüsseler Sicht problematisch, wenn es um den Nachbarn Iran geht. | |
Die Türkei will aus dem Iran in erheblichem Umfang Gas und Öl importieren, | |
um so die Abhängigkeit von russischen Lieferungen zu minimieren. Für dieses | |
Ziel war die Regierung Erdogan bereit, sich wegen des iranischen | |
Nuklearprogramms offensiv mit den USA anzulegen. | |
Deshalb gerät die Stationierung des Antiraketenschilds nun zu einer | |
außenpolitischen Grundsatzfrage. Weigert die Türkei sich, weil sie den Iran | |
nicht verärgern will, wird das als endgültiger Beweis für eine Verlagerung | |
der Ausrichtung der Türkei von West nach Ost interpretiert. Die türkische | |
Regierung hat deshalb signalisiert, sie werde einer Stationierung | |
zustimmen, wenn erstens der Iran im Nato-Dokument nicht als Bedrohung | |
genannt wird und zweitens die Türkei mit darüber entscheidet, wann die | |
Abwehrraketen eingesetzt werden. | |
Im ersten Fall haben die Nato-Staaten laut Generalsekretär Rasmussen | |
bereits zugestimmt, die Bedrohungslage soll nur allgemein formuliert | |
werden. Der zweite Punkt ist wesentlich komplizierter. Es geht darum, was | |
passiert, wenn Israel mit US-Unterstützung die Urananreicherungsanlagen im | |
Iran angreifen sollte und Iran dann wie angekündigt zurückschlagen will. | |
Wird in diesem Fall die Antiraketenabwehr aktiviert? | |
Die Türkei will auf keinen Fall in einen solchen Konflikt hineingezogen | |
werden. Wenn es eine Einigung gibt, wäre das erfreulich, sagte | |
Ministerpräsident Tayyip Erdogan, gibt es keine Einigung, sei das aber auch | |
"kein Beinbruch". | |
19 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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