| # taz.de -- Religiöse Verfolgung in China: Die Untergrund-Priester | |
| > Der Katholizismus gehört zu den fünf Religionen, die vom chinesischen | |
| > Staat anerkannt werden. Seine Anhänger sind trotzdem heftigen | |
| > Verfolgungen ausgesetzt. | |
| Bild: Christmesse in der Provinz Shandong: Chinesische Katholiken beim Weihnach… | |
| Das Gespräch erstirbt, sobald ein Kunde auftaucht. In einem Blumenladen | |
| irgendwo im Nordosten Pekings sitzt eine einfach gekleidete Frau Ende | |
| vierzig. Sie flüstert, denn jede und jeder könnte ein Spitzel sein. Sie | |
| erzählt von den Zusammenkünften von Christen im Untergrund. Von Messen, die | |
| in Privathäusern in der Provinz stattfinden. Von anonym auftretenden | |
| Priestern, die Sakramente spenden. Von der Polizei, die bei Katholiken | |
| auftaucht, die die Treffen organisiert haben. Glauben kann gefährlich sein | |
| in China. | |
| Noch immer wird die katholische Kirche in China verfolgt - wenn sie sich | |
| nicht den Regeln des Regimes beugt. Da sind etwa die Bischöfe von drei | |
| Diözesen in der Provinz Hebei: Su Zhimin sitzt seit 1996 im Gefängnis, Shi | |
| Enxiang seit 2001. Im Polizeigewahrsam starb Bischof Han Dingxiang am 9. | |
| September 2007. Einiges spricht dafür, dass der Siebzigjährige den Folgen | |
| von Folter erlegen ist. | |
| Empört reagierte die internationale Öffentlichkeit jüngst auf die Tatsache, | |
| dass der zu elf Jahren Haft verurteilte chinesische Dissident Liu Xiaobo | |
| die Nachricht von der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn erst nach | |
| Tagen und weiter hinter Gittern erhielt. Warum sind die Bischöfe Su, Shi | |
| und Han so unbekannt? | |
| Ein Grund ist, dass ein großer Teil der chinesischen Katholiken nicht | |
| öffentlich auftritt, weil man sich als Teil einer Untergrundkirche | |
| versteht, die seit Jahrzehnten existiert. In der vergangenen Woche hat sich | |
| die Lage für die Verfolgten wieder zugespitzt. Peking und Rom schauen | |
| gebannt auf die katholische Kirche im Reich der Mitte. | |
| Das ist in gewisser Weise erstaunlich. Denn die katholische Kirche in China | |
| ist vergleichsweise klein. In der Volksrepublik leben derzeit | |
| wahrscheinlich nur zwischen 12 und 14 Millionen Katholiken. Doch hier, im | |
| Reich der Mitte mit seinen rund 1,4 Milliarden Menschen, könnte in wenigen | |
| Jahrzehnten eine der größten Teilkirchen der Kirche Roms entstehen. Die | |
| Dynamik ist enorm: Seit Gründung der Volksrepublik 1949 hat sich die Zahl | |
| der Katholiken etwa vervierfacht - und eine weitere Expansion ist ziemlich | |
| wahrscheinlich. | |
| Pekings Kontrollstreben | |
| Denn die Explosion der Zahl der Katholiken in China hat Tradition. So | |
| zählte man in der Zeit der Republik China von 1911 bis 1948 über 3 | |
| Millionen katholische Christen - und das, obwohl kurz zuvor während des | |
| Boxeraufstandes im Jahr 1900 noch rund 18.000 Christen ermordet worden | |
| waren. Diese Blüte in Freiheit aber brachte Mao Tse-tung zum Stoppen, als | |
| er 1949 die Volksrepublik als einen atheistischen Staat ausrief - mit der | |
| Folge der Verfolgung aller Religionen, auch des Christentums. Vor allem in | |
| den fünfziger Jahren wurden alle christlichen Missionare ausgewiesen, | |
| chinesische Priester, Mönche und Nonnen in Gefängnisse gesteckt. | |
| Auf Druck der Kommunistischen Partei wurde 1957 die Patriotische | |
| Vereinigung der Chinesischen Katholischen Kirche gegründet - es folgte eine | |
| Spaltung, die bis heute anhält: hier die romtreue sogenannte | |
| Untergrundkirche, dort die vom Staat anerkannte offizielle Kirche. Zwar | |
| wurden bei der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 auch die offiziellen | |
| Katholiken verfolgt. Nach der Öffnung Chinas in den achtziger Jahren aber | |
| erleiden dies fast nur noch die Untergrundkatholiken. | |
| Warum? Das Wesentliche ist bis heute für die Nomenklatura Pekings die | |
| Machtfrage. Deshalb sucht sie auch die totale Kontrolle aller religiösen | |
| Bewegungen. Dieses Denken gründet auf den "Drei Selbst", die Mao schon 1950 | |
| verkündete. Das heißt: Selbst-Erhaltung, also eine finanzielle | |
| Unabhängigkeit der Kirche, Selbst-Verbreitung, also keine ausländische | |
| Mission im Lande. Und vor allem Selbst-Verwaltung, also Unabhängigkeit von | |
| Rom. Am 30. Juli 2007 aber begann mit einem Brief von dort an die | |
| chinesische Kirche ein neues Kapitel im Kampf Peking - Rom: Papst Benedikt | |
| XVI. mahnte die Untergrundkirche wie die offizielle Kirche zur Einheit. | |
| Der Papstbrief war in der Untergrundkirche umstritten. Bitter schrieb ein | |
| anonym gebliebener junger Priester aus Nordchina: "Der Brief des Papstes | |
| erwähnt mit keinem einzigen Wort die Bischöfe und Priester, die noch im | |
| Gefängnis sind. Ich persönlich halte das wirklich für einen Mangel. Wir | |
| haben nicht erwartet, dass der Papst in seinem Brief zu großer | |
| Unterstützung für diese leidenden Brüder aufruft, weil die | |
| Kirchengeschichte uns lehrt, dass diejenigen, die, in welchem Land auch | |
| immer, ihr Leben und ihr Blut für den Glauben hingeben, am | |
| Verhandlungstisch nicht viel zählen." | |
| Dennoch: Die katholische Kirche ist so präsent wie seit Jahrzehnten nicht | |
| mehr. Gab es nach der Kulturrevolution in China gerade noch zwei | |
| katholische Kirchen, sind es heute wieder über 6.000. Zehntausende Gläubige | |
| nehmen an Marienwallfahrten teil. Hört man sich unter normalen Katholiken | |
| um, scheint es vielen schlicht egal zu sein, ob sie nun eine offizielle | |
| oder eine Untergrundmesse erleben. | |
| Inzwischen hat sich auch die Mehrzahl der ohne päpstliche Erlaubnis | |
| geweihten Bischöfe der offiziellen Kirche nachträglich um ein Placet aus | |
| Rom bemüht. Manche Kirchenexperten gehen davon aus, dass bereits etwa 80 | |
| Prozent des chinesischen Episkopats vom Heiligen Vater anerkannt wurde. | |
| Einige "Untergrund"-Bischöfe gelten in der Sicht der Behörde zwar weiter | |
| als illegal, können aber offen in einer Kirche residieren. | |
| Zudem gibt es durchaus prächtige Bischofskirchen von Oberhirten der | |
| Untergrundkirche - darunter Gotteshäuser mit über 50 Meter hohen Türmen. | |
| Bischofsweihe gegen Vatikan-Willen | |
| Am vergangenen Sonntag aber gab es einen herben Rückschlag für die | |
| Annäherung zwischen Rom und Peking: Erstmals nach vier Jahren und nach dem | |
| Papstbrief wurde unter massiver Polizeipräsenz in der Provinz Hebei wieder | |
| ein Bischof der offiziellen Kirche geweiht, gegen den sich der Vatikan | |
| ausdrücklich ausgesprochen hatte. Die Polizei zwang sogar mehrere Bischöfe | |
| dazu, an der Ordination teilzunehmen, wogegen der Vatikansprecher im | |
| Vorfeld zusätzlich scharf protestiert hatte. | |
| Mit Spannung wird auch die 8. Nationalversammlung der offiziellen Kirche | |
| erwartet, die bis Ende dieses Jahres stattfinden soll. Peking erkennt nur | |
| fünf "Religionen" offiziell an, nämlich den Buddhismus, den Taoismus, den | |
| Islam, den Katholizismus und den Protestantismus - der Rest, darunter das | |
| Judentum, gilt als "Aberglaube". Die offiziellen "Religionen" müssen alle | |
| fünf Jahre Nationalversammlungen abhalten, die ihre neue Führungsspitze | |
| bestimmen. | |
| Zuletzt hat die offizielle katholische Kirche 2004 ihre Versammlung | |
| abgehalten, die als höchstes Selbstleitungsorgan der "patriotischen" Kirche | |
| gilt. Angeblich unter anderem wegen der Expo in diesem Jahr wurde die | |
| Zusammenkunft mehrmals verschoben. Schon vor Monaten hatte der Vatikan | |
| seinen Bischöfen empfohlen, nicht daran teilzunehmen. Zwar steht immer noch | |
| kein genauer Termin fest, aber erste Nominierungen dafür gab es in den | |
| vergangenen Wochen. | |
| Bei der letzten Nationalversammlung der Katholiken kamen neben | |
| Parteioffiziellen etwa 300 Bischöfe, Priester, Nonnen und Laien. Die | |
| Versammlung soll die offizielle "Bischofskonferenz" sowie die Leitung der | |
| "patriotischen" Kirche wählen. Beide Gremien werden jedoch vom Vatikan | |
| nicht anerkannt. | |
| Natürlich ist die Untergrundkirche, trotz der Verfolgung, keine | |
| Gemeinschaft von Heiligen. Ein intimer Kenner der Untergrundkirche, der | |
| anonym bleiben will, berichtet von starken patriarchalen Strukturen, die | |
| sich gerade im Untergrund sogar noch stärker bewahrt hätten, als sie | |
| sowieso schon in der katholischen Kirche weltweit zu finden sind. So bietet | |
| er, obwohl selber Geistlicher, im Untergrund für Seminaristen und Nonnen | |
| Kurse zur Sexualaufklärung an - um die Schwestern vor sexueller Bedrängung, | |
| ja sogar Vergewaltigung besser zu schützen. | |
| In der Südkathedrale Pekings haben sich an die hundert Gläubige versammelt. | |
| Die Kirche ist auf den Namen der Jungfrau Maria geweiht, ziemlich kitschig | |
| und ganz klar ein Gotteshaus der offiziellen Kirche. Gerade findet eine | |
| englischsprachige Messe statt, ein Jugendchor schmettert, mehr begeistert | |
| als gekonnt, ein paar angepopte Sakralsongs. Im Hochgebet kurz vor der | |
| Kommunion betet der Priester auch für den Papst Benedikt XVI., wie überall | |
| in der katholischen Welt. Doch hier wirkt das erstaunlich. | |
| Nach der Messe steht vor der Kathedrale in einem flachen Seitengebäude eine | |
| Tür auf. Darin ist das Büro der Gemeinde. Ein freundlicher Mann begrüßt | |
| einen herzlich, macht etwas Small Talk, weicht aber allen zaghaften Fragen | |
| nach der Untergrundkirche aus. Unvermittelt ruft er: "Welcome to China!", | |
| dann ist das Gespräch beendet. An einer Wand hängt ein süßliches Bild von | |
| Engelchen, die vom Himmel herab auf die Erde schauen - sie blicken auf den | |
| Vatikan. | |
| 23 Nov 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Philipp Gessler | |
| Philipp Gessler | |
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| Papst Franziskus | |
| China | |
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