# taz.de -- Sperrungen wegen Innerer Sicherheit: Terroropfer öffentlicher Raum | |
> Nach dem Terroralarm wird nicht nur der Reichstag gesperrt, sondern auch | |
> der Uferweg an der Spree. Eine temporäre Maßnahme, heißt es. | |
> Protestdemonstration gegen Sozialabbau muss Reichstag meiden. | |
Bild: Polizisten vor dem Reichstag. | |
Die Sache mit der Britischen Botschaft haben die Stadtplaner in der | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch nicht vergessen. Nach den | |
Anschlägen vom 11. September 2001 ließ der neue Botschafter die | |
Wilhelmstraße sperren. Aus Sicherheitsgründen, die Architekten hatten | |
vergessen, einen zweiten Fluchtweg einzubauen. Aus dem Provisorium ist gut | |
neun Jahre später ein Dauerzustand geworden. Und der Worst Case für den | |
öffentlichen Raum. Sicherheitsbedenken, klagen die Planer, wiegen im | |
Zweifel mehr als die Interessen einer Stadt an öffentlichen Wegen und | |
Zugänglichkeit auch an neuralgischen Orten. | |
Nun ist seit Montag nicht nur der Zugang zum Reichstag gesperrt, sondern | |
auch der linke Spreeuferweg von der Wilhelmstraße bis zur | |
Konrad-Adenauer-Straße. An beiden Enden bewachen zwei Polizeibeamte mit | |
Maschinenpistole die Absperrung. Der Spreeuferweg ist zwar, anders als bei | |
der Wilhelmstraße, nur ein Fußgänger- und Radweg. Das Problem aber ist das | |
gleiche. Ein zentraler öffentlicher Raum ist für die Öffentlichkeit nicht | |
mehr zugänglich. Wie lange, das vermag derzeit niemand zu beantworten. | |
Überhaupt hüllt man sich dieser Tage gern in Schweigen. | |
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) lässt über ihren | |
Sprecher ausrichten, dass "überhaupt kein Blatt zwischen uns und den | |
Innensenator passt". Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wiederum verwies | |
bei der Senatssitzung am Dienstag lediglich darauf, dass die Sperrungen in | |
Absprache zwischen dem Land, der Bundespolizei und der Bundestagsverwaltung | |
erfolgt seien. Wann sie wieder aufgehoben werden, ließ der Innensenator | |
offen. "Das kann ich nicht beantworten, weil ich das nicht verlässlich | |
sagen kann." Die Sicherungsmaßnahmen würden dann wieder heruntergefahren, | |
wenn es die Einschätzung der Lage zulasse. | |
Doch nicht nur die Landesregierung schweigt, sondern auch das | |
Landesparlament. "Solange die Absperrung temporär ist, sehe ich nicht die | |
Gefahr, dass sich das Regierungsviertel im Sicherheitsgriff befindet", sagt | |
die Innenpolitikerin der Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus, Marion | |
Seelig. Seelig räumte aber ein, dass bei der Ausrufung der Sicherheitsstufe | |
1 zu den Wahlen im vergangenen Herbst keine öffentlichen Wege gesperrt | |
worden seien. Eine Parallele der derzeitigen Sperrungen zur Britischen | |
Botschaft sieht Seelig aber nicht. "Ich hoffe, dass das nicht zum | |
Dauerzustand wird." | |
Ähnlich argumentiert auch die Opposition. "Ich hoffe, dass die Absperrungen | |
nicht von Dauer sind, sondern nur vorübergehende Einschränkungen", sagt der | |
grüne Innenpolitiker Benedikt Lux. Allerdings sollen die möglichen | |
Anschläge, wegen derer das Regierungsviertel nun abgesperrt wurde, laut | |
Spiegel erst im Februar oder März stattfinden. | |
Die Berliner Polizei wollte am Dienstag keinen Termin für das Ende der | |
Einschränkungen nennen. "Für eine Aufhebung der Absperrungen ist die | |
Beurteilung der Gefährdungslage durch die Sicherheitsbehörden | |
entscheidend", so ein Polizeisprecher. An eine Einschränkung des | |
Schiffsverkehrs auf der Spree sei nicht gedacht. Mit besonderem Nachdruck | |
wies der Polizeisprecher darauf hin, dass das Regierungsviertel nicht | |
abgesperrt sei. "Die Maßnahmen betreffen den Reichstag sowie das | |
Paul-Löbe-Haus." | |
Würden die Sicherheitsbehörden des Bundes aus dem Provisorium tatsächlich | |
einen Dauerzustand werden lassen, heißt es in Sicherheitskreisen, habe der | |
rot-rote Senat ein Wort mitzureden. Ob das Land Berlin dabei gehört wird, | |
ist offen. Auch, ob es einen Konflikt wagt. Dem Neubau des | |
Bundesinnenministeriums auf dem Moabiter Werder hat der Senat einen über | |
Jahre geplanten Radweg geopfert. | |
24 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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