# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Wundersame Welt der Hochlohnsklaven | |
> Was bezwecken die Fans von Werder Bremen, wenn sie sich für Trainer | |
> Thomas Schaaf starkmachen? Wo doch der Coach zumeist der Übeltäter ist. | |
Werder Bremens Trainer Thomas Schaaf macht mit seinem Klub schwere Zeiten | |
durch, aber auf die grün-weißen Fans kann er sich noch immer verlassen. Der | |
Ausflug der Hanseaten nach England zu Tottenham Hotspur ging zwar in die | |
Hose, aber 2000 mitgereiste Bremer sangen unverdrossen: "Thomas Schaaf, du | |
bist der beste Mann!" Dass leidgeprüfte Anhänger treu zum Trainer stehen, | |
kommt eher selten vor. Im Falle einer Niederlagenserie sind vielmehr | |
Schmähungen und Anfeindungen die Regel. | |
Der gemeine Fan erkennt meist im Coach den Übeltäter und fordert lautstark | |
seinen Rauswurf. Mitunter werden Trainer sogar Opfer von Fangewalt, so | |
geschehen beim griechischen Klub AEK Athen. Da wurde Dusan Bajevic nach | |
einer Niederlage vermöbelt. Wochen später gab er entnervt auf. Er ist nicht | |
allein: Trainer werden bespuckt, gemobbt und angeschwärzt. Manchmal auch | |
von den eigenen Spielern. | |
Man erinnert sich an den Fall Augenthaler, der sich im Jahr 2003 in | |
Nürnberg zugetragen hat. Er steht exemplarisch für den Intrigantenstadl | |
Bundesliga. Trotz längerer Aufenthalte des Klubs im Tabellenkeller hielten | |
die Fans zum Trainer. "Außer Auge könnt ihr alle gehn!", skandierten sie | |
seinerzeit. Doch weder der Präsident noch die Spieler wollten der Forderung | |
Folge leisten, weswegen der Spielerrat zum Präsidenten marschierte und | |
Augenthaler in die Pfanne haute. Man unterstellte ihm Alkoholismus, einen | |
fehlenden Draht zur Mannschaft und allerlei anderes. Das Resultat der | |
Petzerei: Augenthaler ging. | |
Der Trainer ist oftmals nur eine Variable in der Gleichung des | |
Vereinsfußballs. Weniger angreifbar sind Präsidium und Management, auch | |
wenn sich der Zorn der Fans zunehmend auf diese Instanzen richtet (siehe | |
Bielefeld und Köln). | |
Fein raus ist meist auch die Mannschaft, die ja nicht selten von Präsidium | |
und Management zusammengestellt worden ist. Der Trainer darf mit dem | |
"Humankapital" umgehen. Es wird ihm bisweilen übergeben wie ein Haufen | |
Mosaiksteine, aus dem der Mann mit dem Einjahresvertrag ein schönes Fresko | |
legen soll. Misslingt das Kunstwerk, senken die Herren in der | |
Vorstandsetage den Daumen: Sie entlassen den verhinderten Künstler - und | |
ein neuer Hochlohnsklave wird geholt. | |
In Bremen läuft es von jeher anders. Der Trainer ist nicht nur Sozius, | |
nein, er sitzt mit am Steuer. Er wird nicht übergangen, Schaaf ist an der | |
Weser gleichberechtigter Akteur. Die Werder-Fans haben verstanden, dass man | |
ihn nicht einfach so auf die Straße setzen kann, nur weil es gerade nicht | |
rund läuft. Sie klammern sich freilich auch an ihn und das Bremer Modell | |
der Nachhaltigkeit, weil sie befürchten, es könnte mit seinem Weggang alles | |
noch schlimmer kommen und eine Zeit des rastlosen Übergangs anbrechen wie | |
nach der Ära Rehhagel. | |
Das Pro-Schaaf-Votum ist nicht nur ein rührendes Indiz für Gutmenschentum | |
in der Fankurve, es ist auch ein Ausduck der Angst, die übrigens auch | |
Bremens Manager Klaus Allofs befallen hat: Angst vor Veränderung. Angst vor | |
den ganz normalen Gesetzen der Branche. In diesen Bundesliga-Paragrafen | |
steht, dass sich ein Trainer recht schnell verschleißt, dass seine | |
Halbwertszeit gering ist, dass er zu einer ewigen Wanderschaft von Verein | |
zu Verein verdammt ist und letztlich abhängig ist von den Launen der | |
Fußballmächtigen; rühmliche Ausnahmen von der Regel waren neben Schaaf die | |
Trainer Finke, Klopp oder Geyer. | |
Die Bremer haben sich in den vergangenen Jahren mit Bravour gegen diese | |
Gesetzmäßigkeiten gestemmt. Doch Werder könnte den Kampf heuer verlieren. | |
Dann hätte auch Werders "bester Mann" keine Jobgarantie mehr. | |
26 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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