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# taz.de -- Nach dem neuen Urteil gegen Pirate Bay: Kleine Konstruktion, große…
> Das am Freitag gegen Pirate Bay verhängte Urteil wirft unter schwedischen
> Juristen und IT-Fachleuten viele Fragen auf. Plötzlich steht Google im
> Mittelpunkt des Interesses.
Bild: So tarnen sich mögliche Urheberrechtsverletzungen.
STOCKHOLM taz | Das am Freitag in zweiter Instanz gegen die Betreiber des
Filesharing-Portals Pirate Bay gefällte Urteil könnte noch ungeahnte Folgen
haben. Denn das Stockholmer Oberlandesgericht ("Hovrätt") hat sein Urteil
mit einer schwammigen juristischen Konstruktion unterfüttert. Demnach
könnte ein strafbares Mitwirken an Verstößen gegen das Urheberrecht in
einer einfachen Informationsverbreitung bestehen. Genauer: Das Gericht
betonte die abstrakte Möglichkeit, dass jede Information, die auf einer
Webseite veröffentlicht wird, auch geeignet sein könnte, zu einem
strafbaren Verstoss gegen das Urheberrecht beizutragen.
Der Beihilfebegriff werde damit ins Grenzenlose ausgedehnt und von einer
konkreten Strafttat und einem Täter abgekoppelt, kritisieren nun Juristen
und IT-Experten. Sie fragen: Wo wolle man dann die Grenzen dessen ziehen,
was künftig als Beihilfe zum Urheberrechtsdelikt strafbar ist?
Alle Internet-Informationsdienste und speziell Suchmaschinen könnten mit
einer solchen juristischen Definition von der Unterhaltungsindustrie als
nächstes vor Gericht gezogen werden, meint beispielsweise Kristoffer
Schellin, Forscher im Bereich immaterielles Recht an der Universität
Göteborg. Um Informationen und Links zu urheberrechtlich geschütztem
Material zu erhalten, müsse man längst keine Filesharing-Seite mehr
aufrufen. Wer beispielsweise einen aktuellen Filmtitel wie "Get him to the
Greek" in Googles Suchmaschine eingebe, erhalte während des Eintippens den
Zusatz "torrent" und sowie Hunderte von Treffern. Nur einen Klick kann der
Bittorrent-Klient des eigenen Rechners dann mit dem Download beginnen.
Ist Google also der Mithilfe an Urheberrechtsverstößen schuldig? Die
schwedischen RichterInnen haben diese Konsequenz ihres Urteils durchaus
gesehen - offenbar unter dem Druck, auf jeden Fall zu einer Verurteilung zu
kommen. In der Urteilsbegründung ist von einem "Lauffeuer" die Rede, in dem
sich illegales Filesharing in den letzten Jahren angeblich verbreitet habe.
Das sind Ausführungen, die Kritiker als Beweis für den politischen
Charakter des Urteils nun gerne zitieren.
Die Richter jedenfalls versuchten, Internetseiten nach "Nutzen" und "Wert"
zu unterscheiden. Google sei im Unterschied zu Pirate Bay ein "wertvolles
Werkzeug" und "von allgemeinem gesellschaftlichem Nutzen". Glücklich mit
dieser Unterscheidung scheint das Gericht nicht gewesen zu sein. Die
Vorsitzende "Hovrätts"-Richterin Kristina Boutz äußerte, sie würde es wegen
der Suchmaschinen-Problematik durchaus positiv finden, wenn ihr Urteil vom
Obersten Gerichtshof unter die Lupe genommen würde. Was vermutlich
geschehen wird.
Ein Hinweis darauf, wo im Internet man etwas finden kann, dürfe nicht als
ausreichend für einen Urheberrechtsverstoss gewertet werden, meint Daniel
Westman, Rechtsinformatiker an der Universität Stockholm: 'Ansonsten hätte
das unangemessene Konsequenzen für das Recht auf
Meinungsäusserungsfreiheit." Hebe der Oberste Gerichtshof das Urteil auf,
müsse man eben "den beschwerlichen Weg" mit Anzeigen gegen jeden einzelnen
User gehen, sagt Ludvig Werner von der Plattenbranchenorganisation Ifpi.
Und wenn das Urteil Bestand hat? Dann könnte jeder bei Google, Facebook
oder Twitter veröffentlichte Link zu urheberrechtlich geschütztem Material
als Beihilfetat strafbar sein - sogar unabhängig davon, ob jemand ihn
angeklickt hat. Der Pirate-Bay-Prozess könnte damit eine Entwicklung in
Gang setzen, in der Suchmaschinen, Blogs und soziale Netzwerke sich im
Auftrag der Urheberrechtsindustrie "zu von Big Brother im Detail
überwachten Szenen verwandeln", befürchtet ein Kommentator der Tageszeitung
Göteborgs-Posten.
Eine andere Konsequenz erwartet für diesen Fall der konservative
schwedische Parlamentsabgeordnete Karl Sigfrid: "Das könnte das Ende der
sozialen Medien in der Form bedeuten, in der wir sie jetzt kennen."
29 Nov 2010
## AUTOREN
Reinhard Wolf
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