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# taz.de -- ZDF bricht "Wetten dass..?" ab: "Wir wollen nicht auf heiter machen"
> Nach seinem Unfall bei "Wetten, dass..?" liegt der 23-jährige Kandidat
> mit schweren Halswirbelverletzungen auf der Intensivstation. RTL
> versuchte, Kapital daraus zu schlagen.
Bild: Sichtlich geschockt: Thomas Gottschalk nach dem Unfall.
BERLIN taz | So fertig hatte man Thomas Gottschalk noch nie gesehen. Alle
Goldbärchen-Stimmung war aus dem Gesicht des dienstältesten Sonnyboys im
deutschen Fernsehen verschwunden, als er - erstmals in der bald 30-jährigen
Geschichte von "Wetten, dass..?" - die Livesendung noch vor 21 Uhr am
Samstagabend abbrach. "Wir wollen nicht auf heiter machen, wenn wir nicht
heiter sind", sagte Gottschalk, nachdem der erste Wettkandidat der 192.
Sendung bei seiner Wette schwer verunglückt war.
Der 23-jährigen Samuel K. aus Halle wollte mit so genannten Powerizern,
einer besonderen Art Sprungfedern an den Füßen, über fünf fahrende Autos
springen. Der erste Sprung über einen Smart gelang dabei noch problemlos,
beim zweiten Wagen musste der Student ein zweites Mal ansetzen. Der Unfall
geschah beim vierten und vorletzten Auto, an dessen Steuer ausgerechnet
sein Vater saß, der auch noch am Samstag Geburtstag hatte.
Der junge Mann blieb regungslos auf dem Boden liegen und wurde von
Rettungskräften in die Intensivstation des Düsseldorfer Uniklinikums
gebracht. Dort wurde er am Sonntag notoperiert. Der verunglückte "Wetten,
dass ...?"-Kandidat hat sich bei seinem Unfall schwer am Halswirbel
verletzt. Auch das Rückenmark sei in Mitleidenschaft gezogen worden, sagte
der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Düsseldorf, Wolfgang Raab, auf
einer Pressekonferenz in Düsseldorf. K. liege im künstlichen Koma.
Inwieweit er wieder gesund werde, könne man derzeit nicht sicher sagen.
Es war schlagartig ruhig - vor und hinter den Kulissen", sagt der
Journalist Daniel Fiene, der die Sendung Backstage für den Lokalsender
Antenne Düsseldorf verfolgte. Ungewöhnlich viele der hinter der Bühne
wartenden Promis und ihre Entourage hatten sich vor den Monitoren
versammelt, weil die Wette "so spektakulär aussah".
Nachdem klar war, dass sich Samuel K. verletzt hatte, sei die Stimmung
"sofort gekippt", so Fiene, "auch bei den Justin Bieber-Fans, die vorher
einen enormen Terz gemacht haben und sehr nah an der Unfallstelle saßen.
Die waren sofort still". Sendungsmitarbeiter hätten dann sehr schnell ein
schwarzes Tuch hoch gehalten und so den Verletzten abgeschirmt. Das ZDF
unterbrach die Sendung, zeigte zunächst Musikvideos und später einen
Fernsehfilm.
Währenddessen beriet sich Gottschalk mit ZDF-Unterhaltungschef Manfred
Teubner auf dem eigentlich den prominenten Wettgästen vorbehaltenen Sofa,
es wurde mit ZDF-Intendant Markus Schächter und Programmdirektor Thomas
Bellut telefoniert. Als die Nachricht aus dem Krankenhaus eintraf, dass
eine erste Untersuchung mindestens 45 Minuten dauern würde, entschloss sich
das ZDF, die 192. "Wetten, dass..?"-Ausgabe ganz abzubrechen.
Er es könne nicht verantworten, "dass wir die Show jetzt einfach weiter
aufzeichnen, um sie unter Umständen später zeitversetzt zu Ende
auszustrahlen", sagte Gottschalk in einer rund fünfminütigen Ansprache an
das Saalpublikum. Avancen von RTL, im Jahresrückblick "Menschen, Bilder,
Emotionen" mit Günther Jauch aufzutreten und darüber zu berichten, habe er
abgelehnt, so Gottschalk: "So etwas mache ich nicht".
Auch die Wettpaten der Auto-Springer-Wette, Otto Waalkes und das Model Sara
Nuru, waren sichtlich geschockt und "sehr fertig", sagt Fiene. Stargast
Cameron Diaz, die später zu Gottschalk aufs Sofa sollte, kam nach dem
Unfall aus dem VIP-Bereich auf die Bühne um sich zu erkundigen, "wie es dem
Jungen geht". Justin Bieber, dessen Fans vom Abbruch der Sendung wohl am
meisten enttäuscht waren, forderte nach dem Unfall über Twitter auf, für
den Verunglückten zu beten: "Bitte betet für Samuel K. und seine Familie,
während wir warten und für ihn Gesundheit und Schutz erhoffen."
ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut hatte noch in der Nacht in einer
Presseerklärung Konsequenzen aus dem Unfall angekündigt: "Wir sind in
Gedanken bei unserem Kandidaten. Unter dieser Voraussetzung konnten und
wollten wir die Unterhaltungssendung nicht fortsetzen", so Bellut . Die
"Wetten. dass..?"-Redaktion und Produktion legten immer größten Wert auf
die Sicherheit aller Beteiligten. "Wir werden diesen Unfall gründlich
untersuchen und Lehren daraus ziehen." Thomas Gottschalk sei "mit dieser
schwierigen Situation sehr gut umgegangen", er sei sich sicher, so Bellut,
dass die Zuschauer den Abbruch der Sendung "verstehen und gutheißen."
Mittlerweile wurde bekannt, dass Samuel K. bereits bei den Proben zur Wette
Schwierigkeiten hatte: "Am Donnerstag bin ich zweimal schwer gestürzt. Der
Wettteil klappt noch nicht", sagte der aus dem badischen Efringen-Kirchen
stammende K. der Badischen Zeitung vor Beginn der Sendung. Die Proben
"helfen auf jeden Fall und geben eine gewisse Sicherheit, ich bin aber doch
noch skeptisch", so K., "allerdings sind die Voraussetzungen so, dass es in
der Sendung funktionieren könnte. Und mein Team ist super."
Während das ZDF bei "Wetten, dass..?" bisher von solchen Zwischenfällen
verschont geblieben war, könnte der Unfall von Samuel K. Erinnerungen an
die Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre im ZDF ausgestrahlten großen
Samstagabend-Show "Wünsch dir was" mit Dietmar Schönherr wachrufen. In
einer Sendung sollte sich eine Kandidaten-Familie aus einem Auto befreien,
dass vor laufenden Kameras in einem Wasserbecken versenkt wurde. Doch eine
Tür klemmte, und die Kandidatin konnte erst in letzter Sekunde von
Rettungstauchern gerettet werden. Die Sendung ging damals übrigens einfach
weiter.
5 Dec 2010
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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