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# taz.de -- Neonazis bedrohen Lalendorfer Bürgermeister: "Frühform des Terror…
> Reinhard Knaack wollte Zivilcourage zeigen. Doch der Lalendorfer
> Bürgermeister wird jetzt bedroht, Rechte stehen sogar vor seiner Tür. Und
> Bundespräsident Wullf ignoriert seinen Mut.
Bild: Wollen Stärke zeigen: Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern.
HAMBURG taz | Es ist der 2. Advent. Am späten Nachmittag. Und plötzlich
sind sie da, stehen auf dem Grundstück von Reinhard Knaack. Knapp ein
Dutzend Rechtsextreme rotten sich vor der Tür des ehrenamtlichen
Kommunalpolitikers der Linkspartei zusammen. Ihr Grund: "Nur mal
vorbeischauen".
Knaack ist Bürgermeister in der Gemeinde Lalendorf im Landkreis Güstrow in
Mecklenburg-Vorpommern. Vor einigen Wochen hat er einer rechtsextremen
Familie die Patenschaft des Bundespräsidenten für ihr siebtes Kind
verweigern wollen. Die Neonazis sind sauer. Als die Polizisten einer
Streife auf dem Grundstück eintreffen und die Personalien aufnehmen wollen,
werden sie attackiert und müssen Pfefferspray gegen die Rechtsextremen
einsetzen.
Jetzt ermittelt die Polizei wegen Hausfriedensbruch und will laut
Pressesprecherin Yvonne Burand überprüfen, ob Widerstand gegen Beamte
vorgelegen habe. Und der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion erklärt nach
der Aktion, dass das Ganze System habe: "Die Rechtsextremen verbreiten
Angst und Schrecken und versuchen damit, aufrechte Kommunalpolitiker
einzuschüchtern".
Es ist nicht ihre erste öffentliche Aktion gegen Knaack. Schon seit Wochen
wird auf rechtextremen Szeneportalen gegen den Bürgermeister gehetzt. Auf
der Webseite "Mupinfo", das der NPD-Landesvize David Petereit verantwortet,
wurde gleich eine Anschrift mit veröffentlicht. Und bevor sie in Lalendorf
sein Grundstück betraten, verteilten sie im Ort Flugschriften gegen den
Bürgermeister.
Ins Visier der Neonazis kam der Bürgermeister vor einigen Wochen. Mit
breiter Rückendeckung der Gemeinde hatte sich Knaack dagegen gewehrt, den
rechtextremen Eltern Marc und Petra Müller die Urkunde der Ehrenpatenschaft
des Bundespräsidenten Christian Wulff für ihr siebtes Kind zu überreichen.
Eine Verweigerung, die im Landtag über die Parteigrenzen hinweg begrüßt
wurde. "Wir können diese Eltern mit solch einer Erklärung nicht hofieren,
während wir versuchen, rechtsextremen Verankerungen entgegenzuwirken",
sagte Knaack.
Trotz des Widerstands aus der Lokalpolitik und dem Lob aus der
Landespolitik hatte der Bundespräsident aber an der Ehrenpatenschaft,
inklusive einem 500 Euro Geldgeschenk, festgehalten. Per Post wurde der
Familie Müller vor wenigen Tagen aus dem Bundespräsidialamt die Urkunde
zugesandt. "Das Kind stehe im Mittelpunkt" ließ Wulff verlauten.
Auf die Steilvorlage hatte die NPD nur gewartet. Sie begrüßte auf ihrer
Webseite groß die Entscheidung Wulffs. "Demokratenbande vorgeführt"
frohlockten auch die Schreiber auf "Mupinfo". Dennoch empfahlen die Autoren
um NPD-Landesvize Petereit "übereifrigen Aktivisten" ihren "berechtigten
Zorn [zu] zügeln". Diese Empfehlung nahm Petereit selbst nicht so ernst.
Bei dem Übergriff war Petereit vor Ort, obwohl er selber NPD-Stadtrat in
Rostock und Wahlkreismitarbeiter des NPD-Landtagsabgeordneten Birger Lüssow
ist.
Die Verteilung der Hetzschrift hatte Knaack zum Glück schnell mitbekommen
und rief sofort die Polizei. Seine Achtsamkeit dürfte wohl Schlimmeres
verhindert haben. Als die Rechten wegen einer "Stellungnahme", so "Mupinfo"
verharmlosend, auf das Gelände gingen, tauchte die Polizeistreife auf. Als
die Beamten die Personalien der Rechten feststellen wollten, seien sie
angegriffen worden, so Pressesprecherin Burand und mussten Pfefferspray
einsetzen. Daraufhin wurden Platzverweise ausgesprochen.
Lalendorf ist kein Einzelfall. Keine 40 Kilometer entfernt in Gnoien musste
Bürgermeister Hans-Georg Schörner (SPD) auch einen Übergriff erleben. Auf
seinem Grundstück - ebenfalls im Landkreis Güstrow - warfen vermutlich
Neonazis eine Gedenktafel für die Opfer des Faschismus um.
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Helmut Holter, sagte nach den
Übergriffen: "Wieder einmal haben die Rechtsextremisten ihre Maske fallen
lassen. In der politischen Auseinandersetzung schrecken sie vor Gewalt
nicht zurück". Die Bedrohung des Lalendorfer Bürgermeisters auf seinem
eigenen Grundstück, verurteile er auf das Schärfste. "Die Zivilcourage von
Knaack verdient nach den Übergriffen um so mehr Respekt", so Holter.
"Die Anschläge in Lalendorf und Gnoien sind eine Frühform des Terrors",
sagt Nieszery. Und ohne den Bundespräsidenten namentlich zu nennen sagt er,
dass die Vorfälle zeigen würden, "wie wichtig es ist, Menschen tatkräftig
zur Seite zu stehen, die sich mit Mut und Zivilcourage dem braunen Mob
entgegenstellen". Er bedauert, "dass dies viele führende Politiker im
fernen Berlin immer noch nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Sie erschweren
auf diese Weise den gefährlichen Kampf der Demokraten vor Ort gegen die
Verfassungsfeinde von Rechts."
6 Dec 2010
## AUTOREN
Andreas Speit
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