# taz.de -- England beschließt Studiengebühren: Mit Wut im Bauch | |
> Die drastische Erhöhung der Studiengebühren ist beschlossen. Wütende | |
> Studenten stürmten das Finanziministerium. Auch Prinz Charles und Camilla | |
> wurden attackiert. | |
Bild: Die Proteste waren verbglich: Das englische Unterhaus hat die Erhöhung d… | |
LONDON dapd/rtr | In Großbritannien ist es nach einer drastischen Erhöhung | |
der Studiengebühren zu den schwersten politischen Krawallen seit Jahren | |
gekommen. In London gerieten am Donnerstagabend auch Prinz Charles und | |
seine Frau Camilla in die Ausschreitungen: Randalierende Demonstranten | |
traten gegen das Auto des Thronfolgers und besprühten es mit Farbe. Charles | |
und Camilla blieben unverletzt. | |
Charles' Büro bestätigte später den Angriff, stellte aber klar, dass der | |
Thronfolger und seine Frau keine Schäden davongetragen hätten. Der | |
Zwischenfall ereignete sich in der Regent Street im Herzen der britischen | |
Hauptstadt. Dort hatten die Demonstranten auch zahlreiche | |
Schaufensterscheiben eingeschlagen. | |
Nach dem Angriff fuhr das Auto mit hoher Geschwindigkeit davon. Charles und | |
Camilla waren auf dem Weg zu einer Veranstaltung im London Palladium. Bei | |
ihrer Ankunft vor dem Theater wirkte das Paar aber trotz des Erlebnisses | |
gefasst. | |
Vor dem Parlament war es zuvor zu schweren Zusammenstößen zwischen | |
Demonstranten und der Polizei. Kleine Gruppen von Studenten warfen | |
Leuchtbomben, Billardkugeln und Farbbomben auf die Beamten und rissen die | |
Absperrungen nieder. | |
Im Finanzministerium brachen die Studenten eine Tür auf und stürmten in das | |
Gebäude. Augenzeugen zufolge lieferten sie sich dort Prügeleien mit der | |
Polizei. Die Proteste richteten sich gegen die vom Unterhaus am Abend | |
beschlossene Verdreifachung der Studiengebühren. | |
Auch in anderen Teilen der Stadt kam es zu Ausschreitungen. In dem | |
Einkaufsviertel des West Ends gingen zahlreiche Schaufensterscheiben zu | |
Bruch, auf dem Trafalgar Square wurde ein riesiger Weihnachtsbaum in Brand | |
gesteckt. Polizisten wurden mit Steinen beworfen, Scheiben in | |
Regierungsgebäuden wurden zerschmettert. Die Polizei sprach von | |
"mutwilligem Vandalismus". Bei den Auseinandersetzungen wurden nach | |
offiziellen Angaben 43 Demonstranten und zwölf Beamte verletzt. 22 | |
Verdächtige wurden festgenommen. | |
Gesetz verabschiedet | |
Der umstrittene Gesetzentwurf erhielt 323 Ja-Stimmen, 302 Abgeordnete | |
votierten dagegen. Die Mehrheit war vergleichsweise knapp, immerhin verfügt | |
die konservativ-liberale Regierung eigentlich über 84 Stimmen Vorsprung vor | |
der Opposition. Die Liberaldemokraten hatten sich im Koalitionsvertrag aber | |
das Recht vorbehalten, sich in dieser Frage der Stimme zu enthalten. Das | |
Gesetz hebt die Studiengebühren auf 9.000 Pfund (10.800 Euro) pro Jahr an. | |
Die Abstimmung im Unterhaus galt als wichtiger Test für die | |
konservativ-liberale Regierungskoalition und deren Sparpläne zur Senkung | |
des Haushaltsdefizits. Besonders im Fokus steht der stellvertretende | |
Regierungschef Nick Clegg, der wie andere Liberaldemokraten vor der Wahl | |
eine Zusage unterzeichnet hatte, sich jeder Studiengebühren-Erhöhung zu | |
widersetzen. | |
Clegg verteidigte vor der Abstimmung seine Entscheidung, das | |
Gesetzesvorhaben zu unterstützen. Der Plan sei angesichts der | |
wirtschaftlichen Unsicherheit "die bestmögliche Wahl", sagte er der BBC. | |
Clegg gilt seit Beginn der Auseinandersetzung als einer der bei Studenten | |
unbeliebtesten Politiker. Auf der Titelseite des Daily Mirror hieß es am | |
Donnerstag: "Clegg wird sich heute als armseliger Pinocchio der Politik | |
entpuppen". Dazu war ein bearbeitetes Foto des Politikers mit einer langen | |
"Nase der Schande" zu sehen. | |
10 Dec 2010 | |
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Studentenproteste | |
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