# taz.de -- Berlusconi bleibt an der Macht: Knüppeln nach dem Sieg | |
> Nach dem Scheitern des Misstrauensvotums lieferten sich in Rom | |
> Berlusconi-Gegner heftige Straßenschlachten mit der Polizei. Dabei begann | |
> der Protest zunächst friedlich. | |
Bild: Der schwarze Block stimmte nach der Parlamentssitzung im eigenen Verfahre… | |
ROM taz | Nach dem knappen Sieg des italienischen Ministerpräsidenten | |
Silvio Berlusconi beim Misstrauensvotum ist es am Dienstag in Rom zu | |
heftigen Protesten gekommen. Eine Gruppe von einigen hundert Demonstranten | |
verwüstete bei Straßenschlachten mit der Polizei Teile des historischen | |
Zentrums der Stadt. Wie italienische Medien berichteten, setzten die | |
Randalierer unter anderem ein Fahrzeug der Stadtreinigung und ein Auto der | |
Finanzpolizei in Brand. Mindestens 40 Menschen wurden verletzt. Kurz nach | |
Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses scherte eine gewalttätige Gruppe aus | |
einer der zahlreichen Kundgebungen in der Innenstadt aus und versuchte, zum | |
Abgeordnetenhaus vorzudringen. Die Polizei setzte Tränengas und | |
Schlagstöcke ein. Demonstranten zündeten drei selbstgebaute Sprengsätze in | |
einer Gasse in der Nähe des Parlaments. Andere bewarfen die Beamten mit | |
Eiern und Farbe. Auf der zentralen Via del Corso gingen zahlreiche | |
Schaufenster zu Bruch. Das Parlamentsgelände im Zentrum der italienischen | |
Hauptstadt war schon am Morgen von der Polizei abgeriegelt worden. Im | |
Abgeordnetenhaus wurden noch Wetten entgegengenommen, ob Berlusconi es wohl | |
schafft oder nicht, da hatten auf den Straßen Roms zehntausende | |
Demonstranten schon ihr Verdikt gesprochen. "Geeint gegen die Krise - unser | |
Vertrauen kriegt ihr nicht": Unter diesem Motto zogen gleich drei Demos | |
sternförmig auf das Zentrum der Stadt - und der politischen Macht - zu, um | |
sich dann vor dem Kolosseum zu vereinen. | |
"Die Mächtigen tagen dort im Vakuum ihrer Palazzi, hier ist das reale | |
Italien auf der Straße", meinte einer der Sprecher der Studentenbewegung, | |
die seit Monaten immer wieder gegen Berlusconis Universitätsreform auf die | |
Straße geht. In der Tat: Das Rom der Politik, der Macht präsentierte sich | |
als hermetisch abgeschirmter Raum. Weiträumig war die Rote Zone rund um | |
Senat und Abgeordnetenhaus, um das Palais des Ministerpräsidenten und den | |
privaten Palazzo Berlusconis abgeriegelt. Querstehende Mannschaftswagen | |
versperrten den Zugang, hunderte Polizisten in Uniform und Zivil standen | |
zum Einsatz bereit. Gespenstische Stille herrschte zur Mittagszeit auf der | |
enormen Piazza Venezia. Im Zentrum genauso wie über den Demonstrationszügen | |
knatterten immer wieder die Helikopter. | |
Mario Pepe, Abgeordneter der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit", war | |
deshalb schon am Montag in Panik geraten. "Morgen kommen hunderte | |
Busladungen an, um die Regierung von unten zu stürzen", beschwor er gar den | |
Volksaufstand - und verlangte, das Parlament möge deshalb nach Artikel 64 | |
der Verfassung "in geheimer Sitzung zusammentreten". Der Artikel ist für | |
den Kriegsfall gedacht. | |
Doch von Krieg war auf den Straßen Roms am Dienstagvormittag zunächst keine | |
Spur. Nicht bloß Studenten waren gekommen; auch Metallarbeiter, | |
Erdbebenopfer aus LAquila, Aktivisten der Müllkomitees aus der Region | |
Neapel und der Wohnungssuchenden aus Rom. Vergnügt und ironisch | |
präsentierten sie Berlusconi ihre Rechnung. "Wenn ihr nicht von selbst | |
stürzt, werden wir eure Bananenschale sein", hieß es auf einem Plakat, ein | |
Spruchband forderte dagegen "Wohnung, Arbeit, Würde". Der Sprechchor "Wir | |
werden nicht als prekär Beschäftigte sterben" hallte durch die zum | |
Kolosseum führende Via Cavour, dann hob der Gesang an: "Wenn du uns die | |
Zukunft stiehlst, blockieren wir die Stadt". Mindestens 50.000 Menschen | |
haben sich mittlerweile dem Zug angeschlossen. | |
Doch als dann die Nachricht von Berlusconis Abstimmungssieg die Runde | |
machte, kippte die Stimmung. Helme wurden aufgesetzt, schwarze Schals | |
umgebunden, Knüppel rausgeholt - und die Scharmützel mit der Polizei | |
begannen. Immer wieder lösten sich Demonstranten aus dem Hauptzug, | |
versuchten in die Rote Zone einzudringen, prügelten sich mit Polizisten, | |
die ihrerseits Tränengas abfeuerten. Auf der Uferstraße am Tiber stand ein | |
Auto in Flammen, Müllcontainer wurden umgestürzt, Knallkörper explodierten. | |
Und aus den Fenstern einer Grundschule brüllten etwa 30 Kinder "Nieder mit | |
Gelmini" - sie meinten Berlusconis Schul- und Universitätsministerin | |
Mariastella Gelmini. | |
14 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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