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# taz.de -- Krise in Griechenland: Parlament stimmt Sparhaushalt zu
> Die regierenden Sozialisten haben es geschafft. Ihr Sparhaushalt wurde
> nach heftiger Debatte vom Parlament gebilligt. Nun erfolgen
> Mehrwertsteuererhöhung und Gehaltskürzungen.
Bild: Polizisten schirmen das Parlament in Athen während der Haushaltsdebatte …
ATHEN taz |Es ist vollbracht. Nach einer fünftägigen und kontroversen
Debatte hat das griechische Parlament am späten Mittwochabend den Haushalt
für das Jahr 2011 mit 156 gegen 142 Stimmen gebilligt. Zur Weihnachtszeit
beschert die Regierung Papandreou den griechischen Beamten Gehaltskürzungen
von bis zu 25 Prozent. Insgesamt will man mindestens 14 Milliarden Euro
einsparen und somit das Staatsdefizit nach geschätzten 9,4 Prozent in
diesem Jahr auf 7,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringern. Der
öffentliche Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt soll im
kommenden Jahr aber bei über 150 Prozent liegen. Mit diesen Beschlüssen
kommt Griechenland abermals der EU und dem Internationalen Währungsfonds
entgegen, die ihre Finanzhilfen im Volumen von 110 Milliarden Euro mit
drastischen Sparauflagen verknüpft hatten.
Dabei lehnen nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch viele Abgeordnete
der sozialistischen Regierungspartei die Sparmaßnahmen eigentlich ab. Aber
die Parteidisziplin treibt seltsame Blüten. "Der neue Haushalt ist nicht
glaubwürdig", donnerte die ehemalige EU-Kommissarin Vasso Papandreou und
stimmte trotzdem dafür.
Auch der junge Abgeordnete Fragiskos Parasyris aus Kreta ließ verlauten, er
habe "immer wieder an Rücktritt gedacht", und stimmte dennoch für die
Sparmaßnahmen. Denn, so Parasyris, Bertolt Brecht habe recht: "Nur belehrt
von der Wirklichkeit können wir die Wirklichkeit verändern", zitierte der
kretische Sozialist den deutschen Dramatiker.
Um ihre Sparziele zu erreichen, will die Regierung unter anderem
Arbeitnehmerrechte abbauen, die Mehrwertsteuer von derzeit 11 auf 23
Prozent erhöhen und die Gehälter im öffentlichen Dienst kürzen. Tatsächlich
gehören etwa Bedienstete der staatlichen Eisenbahn zu den Besserverdienern
im Land, obwohl die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf nur 20 Prozent
ihrer Personalkosten decken. Aus diesem Grund erreichen die Bahnschulden 11
Milliarden Euro, und jeden Monat kommen zwei weitere Millionen dazu. Nun
will die Regierung Papandreou alte Bahnstrecken stilllegen und, wenn
möglich, im bescheidenen Maß auch Personal abbauen.
Auch bei den Gesundheitsausgaben soll drastisch gespart werden. Was
zunächst nach sozialer Kälte klingt, hat einen guten Grund: Die Kosten der
Krankenhäuser explodieren, denn Klinikchefs sind in der Regel
Parteigünstlinge, die nicht wissen und auch nicht wissen wollen, wie eine
Jahresbilanz für ein Krankenhaus aussieht und wofür man sie überhaupt
braucht. Sollte es der Regierung gelingen, die parteiübergreifende
Korruption im Gesundheitswesen zu beseitigen, würde Ministerpräsident
Giorgos Papandreou als Reformer in die Geschichte eingehen.
"Wir gehen nicht bankrott", sagte dieser kurz vor der Abstimmung im
Parlament. Im Jahr 2012 werde das Land auf einen Wachstumspfad
zurückkehren. Papandreou fügte aber auch hinzu: "Ich bin mehr als je zuvor
entschlossen, Griechenland zu verändern. Es geht um das Leben der künftigen
Generationen."
Dafür hätte er gern die Unterstützung der Opposition gewonnen, die ihm
jedoch bei diesem Haushalt versagt blieb. In der Debatte plädierte der
konservative Oppositionsführer Andonis Samaras "für eine andere
Wirtschaftspolitik, die auf Wachstum setzt", und stellte klar, dass er für
den Konkurs Griechenlands er nicht mitverantwortlich gemacht werden wolle -
ein befremdlicher Angriff, wenn man bedenkt, dass sich das Staatsdefizit
während der Regierungszeit seiner Partei, der Nea Dimokratia, innerhalb von
6 Jahren verdoppelt hat.
23 Dec 2010
## AUTOREN
Jannis Papadimitriou
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