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# taz.de -- KNATSCH BEI ST. PAULI: Fan-Rebellion am Millerntor
> Wegen zu vieler Business-Seats im Stadion und nackter Haut im Separee
> droht eine Faninitiative dem Verein einen Boykott an. Fansprecher und
> 1.700 Anhänger applaudieren.
Bild: Guter und böser Kommerz, so nah beieinander: Retter für die einen, Tote…
Es ist ein seit Jahren wiederkehrender Vorwurf: Parallel zum sportlichen
Aufstieg erfahre der FC St. Pauli eine zunehmende Kommerzialisierung - aus
Sicht vieler Fans eine Bedrohung der Club-Werte. Nach jahrelangem Murren,
nach Fankongressen zum Thema Kult versus Kommerz und, gelegentlich,
Auseinandersetzungen etwa um die Vermarktung des Stadionnamens drohen dem
Club nun wütende Fanproteste und sogar Boykotte.
Rechtzeitig zum Weihnachtsfest störte eine selbst erklärte
"Sozialromantiker-Initiative" den Vereinsfrieden: Unter der Überschrift "Es
reicht!" stellt die Fangruppe, die schon 2008 gegen die Einführung der
Stadionwährung "Millerntaler" Front gemacht hatte, sieben Forderungen auf,
die der Club erfüllen solle. Dazu gehören etwa ein Moratorium für "weitere
zusätzliche Werbemaßnahmen", der "Rückbau von Teilen der Business-Seats auf
der neuen Haupttribüne" und deren "Umwandlung in bezahlbare Sitzplätze".
Ganz besonders stößt sich die Initiative an dem, was sich in einer der
neuen Stadionlogen - am Millerntor kieztypisch "Separee" genannt -
abspielte: In einer an "Susis Showbar" vermieteten Loge ließen während
einer Bundesligapartie eigens engagierte Stripperinnen die sprichwörtlichen
Hüllen fallen. Die "Sozialromantiker" verlangen nun, dass die Loge
gekündigt wird.
Sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden, drohen sie der
Vereinsführung "offenen Widerstand" an: Man werde "Aktionen" anzetteln,
"die euch nicht mal im Traum einfallen". So kündigt die Gruppe an, sie
würde "den Verzehr wie auch den Stadionbesuch an sich boykottieren" und
Sponsoren "mit Mails bombardieren". Man werde "alles tun, bis ihr merkt,
wie viele wir sind!", heißt es in dem Protestaufruf, der innerhalb weniger
Tage gut 1.700 Anhänger im Internet gefunden hat. Auch der Sprecherrat der
Fanclubs des FC St. Pauli fordert seit Montag dieser Woche offiziell dazu
auf, den Aufruf zu unterzeichnen. Das Gremium spricht von "einem sehr
existenziellen Konflikt", an dem sich seine Mitglieder "voller Kampfeslust"
beteiligen wollten.
FC-Geschäftsführer Michael Meeske kündigte am Dienstag gegenüber der taz
an, die Clubverantwortlichen - derzeit größtenteils noch im Urlaub - würden
sich "sehr zeitnah mit dem Aufruf befassen". Solche Kritik sei "legitim" in
einem Verein, der "von einer intensiven Diskussionskultur" lebe. Es gehe
nun darum "die Vermarktungsrichtlinien noch genauer zu fassen" und die
"unterschiedlichen Zielvorstellungen von Medien, Sponsoren und Fangruppen",
so Meeske, "unter einen Hut zu bringen".
Allein mit warmen Worten werden sich die "Sozialromantiker" wohl nicht
abspeisen lassen - "keine weiteren bloßen Lippenbekenntnisse", heißt es in
ihrem Aufruf, "wir sind es leid!"
28 Dec 2010
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
FC St. Pauli
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