# taz.de -- Urteil zur Meinungsfreiheit: Juristischer Erfolg für Neonazi | |
> Ein Rechtsterrorist sollte fünf Jahre lang kein "rechtsextremistisches | |
> Gedankengut" veröffentlichen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht kippt | |
> das Verbot. | |
Bild: Das Bundesverfassungsgericht hat die Meinungsfreiheit gestärkt: Nazis d�… | |
FREIBURG taz | Das Bundesverfassunsgericht hat ein weitreichendes | |
Publikationsverbot für einen bayerischen Neonazi aufgehoben. Es verletze | |
seine Meinungsfreiheit, wenn er generell keine rechtsextremen Inhalte mehr | |
veröffentlichen dürfe. Das Verbot sei zu unbestimmt und unverhältnismäßig. | |
Geklagt hatte ein Mitglied der ehemaligen Kameradschaft Süd, die 2003 einen | |
Sprengstoffanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in München geplant | |
hatte. 2005 wurden acht Neonazis verurteilt, darunter der Kläger S., der | |
eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten erhielt, unter | |
anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. | |
Inzwischen hat S. seine Haftstrafe verbüßt, steht aber noch fünf Jahre | |
unter Führungsaufsicht. In diesem Zusammenhang hat ihm das | |
Oberlandesgericht (OLG) München im Januar 2008 "verboten, | |
rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut | |
publizistisch zu verbreiten". Wenn er gegen die Weisung verstößt, droht ihm | |
eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Die Richter verwiesen darauf, dass S. | |
früher bereits wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und während seiner | |
Haft Texte für rechte Zeitungen veröffentlichte. Gegen das | |
Publikationsverbot erhob S. Verfassungsbeschwerde. | |
Die Klage hatte Erfolg, das Verfassungsgericht hob das Publikationsverbot | |
auf. Es sei schon schwer zu bestimmen, was "nationalsozialistisches | |
Gedankengut" ist, doch einem Verbot der Verbreitung "rechtsextremistischer" | |
Inhalte fehle es völlig an bestimmbaren Konturen. Letztlich unterliege eine | |
solche Einstufung "sich wandelnden politischen Kontexten und subjektiven | |
Einschätzungen." Das Verbot sei also viel zu vage. | |
Außerdem beanstandete das Verfassungsgericht, dass die Weisung | |
unverhältnismäßig sei. Wenn ein Rechtsextremist keinerlei | |
rechtsextremistische Äußerungen publizieren dürfe, sei er "praktisch | |
gänzlich" aus dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen - | |
der für die Demokratie aber grundlegend sei. Ein so weitgehendes Verbot | |
komme der Aberkennung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nahe, so die | |
Richter. Karlsruhe hat Publikationsverbote im Rahmen der Führungsaufsicht | |
allerdings nicht generell verboten. Die "Unterdrückung bestimmter | |
Meinungen" erfordere aber eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit der | |
Verletzung hochrangiger Rechtsgüter. | |
Das OLG München muss nun neu erneut entscheiden, welche Weisungen S. im | |
Rahmen der Führungsaufsicht befolgen muss. Die Führungsaufsicht kann bei | |
schweren Delikten nach vollständiger Verbüßung der Haftstrafe angeordnet | |
werden, falls weitere Straftaten zu befürchten sind. So kann einem leicht | |
reizbaren Schläger verboten werden, Alkohol zu trinken, oder einem | |
Pädophilen, sich Kindergärten zu nähern. | |
"Neonazis haben keinen Grund zu jubeln", kommentierte Ulla Jelpke, | |
Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, den Karlsruher Beschluss. "Es bleibt | |
auch in Zukunft strafbar, den Holocaust zu leugnen und Hakenkreuze zu | |
publizieren." | |
Az.: 1 BvR 1106/08 | |
4 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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