# taz.de -- Kommentar Hartz IV-Verhandlungen: Laut streiten, leise vollziehen | |
> Das Hartz-IV-Verhandlungsgetöse täuscht darüber hinweg, dass die | |
> Änderungen längst festgezurrt sind. Und erst in der Praxis werden die | |
> schmerzhaften Auswirkungen sichtbar. | |
Diese Gesprächskonstellation kennt man - es ist die von Tarifritualen: Eine | |
Seite stellt Forderungen, die moralisch berechtigt, aber zu teuer | |
erscheinen. Die Verhandlungspartner werfen sich vor, einen Abschluss zu | |
"blockieren". Man nimmt jeweils für sich in Anspruch, mehr als der andere | |
das Gemeinwohl zu vertreten. | |
In dem Verhandlungsmarathon zur Hartz-IV-Reform, der am Freitagnachmittag | |
noch andauerte, ist die Zahl der Anliegen zudem gewachsen wie ein | |
Modulregal von Ikea. Es geht um den Mindestlohn, um die Bildungsförderung, | |
das Existenzminimum, den Finanzausgleich zwischen Bund und Kommunen. Man | |
könnte meinen, hier werde inzwischen die Zukunft des Sozialstaats | |
verhandelt. Doch das Getöse täuscht. Dramatisches wurde schon vorher | |
beschlossen, beim Sparpaket im vergangenen Jahr. | |
Diese Mammutrunde mutet daher seltsam an, wie irgendwie aus der Zeit | |
gefallen. Die Verhandlungsgegner streiten um ein paar mehr Sozialarbeiter | |
an den Schulen und die Berechnungsweise des Regelsatzes. Doch die Mittel | |
für die Arbeitsförderung wurden für dieses Jahr konkret um 20 Prozent | |
gekürzt. | |
Wie ernst soll man als Hartz-IV-Empfänger da eine Runde nehmen, in der die | |
Kontrahenten in Gestalt von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen | |
(CDU) und SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig um die moralische | |
Lufthoheit streiten? Politik ist für die Betroffenen nicht dann | |
schmerzhaft, wenn der lauteste Lärm ertönt. Sondern später, wenn leise | |
vollzogen wird. | |
Man sollte sich vom aktuellen Lärmpegel also nicht beeindrucken lassen, | |
sondern den Blick wach halten für die spätere Praxisphase. Die entscheidet | |
über Sinn und Unsinn des Bildungspakets. Und in ihr werden die Kürzungen | |
des Sparpakets ihre ganze Dramatik zeigen. | |
7 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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