# taz.de -- Cyberverteidigung in Estland: Dienst an der Tastatur | |
> Im Falle eines Internetangriffs könnten in Estland bald sämtliche | |
> IT-Experten zur virtuellen Landesverteidigung einberufen werden. Ob man | |
> auch verweigern kann? | |
Bild: Potenzielle Landesverteidiger unter sich. | |
Die estnische Sicherheit wird am Rechner verteidigt - so hören sich | |
zumindest die Pläne von Estlands Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo an. | |
"Wir ziehen die Einfügung einer Cyberwehrpflicht in Erwägung", sagte | |
Aaviksoo in der vergangenen Woche dem US-Radiosender NPR. Heißt konkret: Im | |
Falle eines Internetangriffs auf das kleine baltische Land will er | |
sämtliche IT-Experten zur virtuellen Landesverteidigung einberufen. | |
Hört sich an, als hätte Aaviksoo sich zu viele Hollywoodfilme reingezogen, | |
in denen geniale Kellerkinder am Rechner wahlweise die Welt retten oder am | |
Rechner ihren Untergang herancoden. Aber tatsächlich hat Estland eine | |
besondere Geschichte mit Cyberangriffen: Im Frühjahr 2007 soll es einen | |
russischen Hackerangriff auf die Webseiten der Regierung gegeben haben. | |
Hintergrund waren Unruhen, die nach der umstrittenen Entfernung eines | |
sowjetischen Kriegsdenkmals in der Hauptstadt Tallinn ausbrachen. | |
Ansätze für seine Cyberarmee gibt es laut Aaviksoo schon: Im Rahmen des | |
militärischen estnischen Freiwilligenverbands "Kaitseliit", der im | |
Kriegsfall oder für paramilitärische Hilfsaufgaben herangezogen werden | |
kann, gebe es eine Einheit, die sich in regelmäßigen Abständen am | |
Wochenende zu freiwilligen Hacker-Abwehrübungen treffe. | |
Was für ein Mandat so ein paramilitärisches Hackerkränzchen zur | |
Landesverteidigung wohl bräuchte? Und wie legt man eigentlich fest, wer ein | |
echter IT-Spezialist ist und wer die ganze Zeit parallel bei Twitter alle | |
Geheimnisse ausplaudert, um sich vom Pflichtdienst an der Tastatur zu | |
drücken? | |
Aaviksoo gibt zu: Gesetze für die IT-Einberufung gibt es derzeit noch | |
nicht. Insofern ist wohl auch noch ungeklärt, ob man aus Gewissensgründen | |
den Cyberkriegsdienst verweigern kann. Zum Beispiel weil der private | |
Arbeitgeber ein ziemlich leichtes Ziel für Hackerangriffe bietet, wenn man | |
die IT-Elite für den nationalen Notfall zwangsverpflichtet. | |
14 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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