# taz.de -- Kommentar Rot-Grün: Verschobene Machtbalance | |
> Stuttgart ist für die SPD eine historische Zäsur. Dort sind die | |
> Sozialdemokraten erstmals bereit, Juniorpartner der grünen Partei zu | |
> werden. | |
Die politische Landkarte der Bundesrepublik wird sich 2011 rot-grün färben. | |
Hamburg und Rheinland-Pfalz, Bremen und Nordrhein-Westfalen werden dann | |
fast sicher rot-grün regiert, in Baden-Württemberg und Berlin ist dies gut | |
möglich. Allerdings wird es keine Wiederauflage der Schröder-Fischer-Ära | |
geben: Es gibt keinen Hauch eines historischen Projekts, keinen Glanz und, | |
vor allem für die Grünen, auch weniger Grauen. Die Machtbalance hat sich | |
verschoben. Keiner ist Koch, keiner Kellner. Man wird eher, für eine Zeit | |
lang, zusammen ein paar Restaurants führen. | |
Das liegt vor allem am Niedergang der SPD. Die Sozialdemokraten sind, | |
unwillig und unter dem Druck der Verhältnisse, dabei, die Wirklichkeit | |
anzuerkennen. Sie verabschieden sich zögernd von der Illusion, die einzige | |
linke Volkspartei zu sein, die lästigerweise mit Klientelparteien wie den | |
Grünen koalieren muss. Der arrogante Tonfall Richtung Grüne ist bei den | |
Sozialdemokraten nicht verschwunden, aber viel leiser geworden. Außerdem | |
ist in der SPD die Atom- und Kohlelobby, die den Grünen in NRW das Leben | |
schwer gemacht hat, auf dem Rückzug. | |
Das Symbol für die grundlegende Veränderung im rot-grünen Binnenklima ist | |
Stuttgart. Dort ist die SPD bereit, Juniorpartner der Grünen zu werden. Für | |
die SPD ist dies eine historische Zäsur. Sie gibt damit faktisch den | |
Anspruch auf, das Gemeinwohl zu repräsentieren. Das tut sie, weil sie es | |
muss, denn sonst könnte sie gleich als Wahlkampftruppe bei Mappus anheuern. | |
In Sachsen-Anhalt weigert sich die SPD noch, Juniorpartner der Linkspartei | |
zu werden. Diese Halsstarrigkeit wird ihren Niedergang aber nur noch | |
beschleunigen. | |
Dabei hat der rot-grüne Wiederaufstieg etwas Zufälliges: Er ist das | |
Ergebnis der Schwäche von Schwarz-Gelb, ein Reflex des Zusammenbruchs der | |
FDP, nicht Lohn für eine überzeugende gemeinsames Idee. Ob Rot-Grün mit | |
seiner Macht im Bundesrat Merkel aggressiv blockieren wird, das ist noch | |
offen. | |
Klar ist aber, dass der rot-grüne Aufstieg in den Ländern das Ergebnis der | |
Bundestagswahl 2013 nicht vorwegnehmen wird. Dort ist eine rot-grüne | |
Mehrheit eine Illusion. Vielleicht hilft der Blick nach NRW, wo schon | |
zweimal, 1966 und 1995, Modelle für den Bund ausprobiert wurden. Dort | |
regiert Rot-Grün, faktisch von der Linkspartei toleriert. Das kann - | |
angesichts einer nur bedingt regierungsfähigen Linkspartei - eine Lösung | |
sein. | |
14 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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