# taz.de -- Kleinkrieg um Web-Videos: Formate im falschen Film | |
> Bislang sah es so aus, dass sich einheitliche Formate für Bewegtbilder im | |
> Internet etablieren könnten. Nun kommt ein Streit zwischen Google, Apple | |
> und Microsoft dazwischen. | |
Bild: Video-Installation im Solomon R. Guggenheim Museum. | |
Bewegtbilder in immer höherer Auflösung, HD-Fernsehübertragungen im Netz | |
oder Videochats mit mehreren Personen - Multimedia gehört so | |
selbstverständlich zum Internet wie Links und Websites. Nun droht ein | |
Streit zwischen Google und seinen Konkurrenten Microsoft und Apple, der | |
Ausbreitung von Bewegtbildinhalten verlangsamen könnte. | |
Denn Google hat entschieden, seinen hauseigenen Browser Chrome künftig | |
nicht mehr mit dem Standardformat H.264 arbeiten zu lassen. Stattdessen | |
will der Konzern lieber eine Technik nutzen, die Google selbst besitzt: | |
WebM, ein kaum verwendetes Format. Als Grund wurde angegeben, man wolle | |
künftig "offenen" Technologien den Vorzug geben. | |
Viele Jahre lang waren Bewegtbilder im Web eine komplizierte Sache. Wer die | |
neueste Ausgabe der "Tagesschau" sehen wollte oder einen der wenigen Filme, | |
die angeboten wurden, musste ein sogenanntes Plug-in auf dem Rechner haben. | |
Diese zumeist kostenlose Software sorgte dann dafür, dass im Browser | |
beispielsweise Videos in den Formaten "Real", "Windows Media" oder | |
"Quicktime" liefen. Für jede Technik brauchte man ein eigenes Plug-in. Wenn | |
der Nutzer es nicht hatte, blieb der Bildschirm leer. | |
Mit der Durchsetzung des Videodienstes YouTube ab 2005 wurde alles besser. | |
Seither laufen Filmchen zumeist im sogenannten Flash-Format. Das ist eine | |
Multimediatechnik des Softwareherstellers Adobe, die auf mehr als 90 | |
Prozent aller Computer sowieso bereits installiert war, was die Verbreitung | |
von Bewegtbildern deutlich erleichterte. Doch Flash war nie dafür | |
vorgesehen, nur Videos darzustellen und verbraucht damit mehr | |
Rechenleistung als nötig. | |
Die Standardisierungsgruppe WHATWG, in der die großen Browser-Hersteller | |
mitwirken, begann deshalb im Rahmen des nächsten Web-Standards HTML5 mit | |
der Arbeit an einer besseren Lösung. Sie trägt den Namen HTML5-Video und | |
erlaubt es, Filme direkt im Browser abzuspielen, ohne Plug-ins und Flash. | |
Wer nun glaubt, damit seien alle Probleme gelöst, liegt falsch: Zwar | |
konnten sich alle größeren Hersteller von Web-Programmen - von Apple über | |
Microsoft bis hin zu Google, Mozilla und Opera - auf die Einführung von | |
HTML5-Video einigen. Doch welches Format die Filmchen haben sollten, stand | |
und steht auf einem anderen Blatt. Während Apple und Microsoft mit ihren | |
Browsern Safari und Internet Explorer auf H.264 setzten, ein Format, das in | |
zahllosen Camcordern, auf Blu-ray-Scheiben sowie zunehmend im digitalen | |
Fernsehen Verwendung findet, blieben Mozilla und Opera lieber beim kaum | |
verwendeten freien Standard Theora. Google wiederum verhielt sich zunächst | |
neutral und setzte mit Chrome sowohl auf H.264 als auch auf Theora. | |
Mit der Entscheidung für WebM hat Google Bewegung in die Sache gebracht. | |
WebM ist eine Technik, die sich der Internet-Konzern Anfang 2010 gekauft | |
hat. Seither versucht das Unternehmen, das Videoformat mit günstigen | |
Lizenzbedingungen zu verbreiten - bislang allerdings nur mit mäßigem | |
Erfolg. Nutzer können es kostenlos und kommerziell verwenden. H.264 berge | |
dagegen, so heißt es zumindest von Google, ein unkalkulierbares Risiko. | |
Tatsächlich ist H.264 patentgeschützt, darf allerdings kostenlos verwendet | |
werden, wenn Videos nicht verkauft werden. Wer das Format jedoch in seine | |
Hard- oder Software einbaut, muss Lizenzgebühren bezahlen. | |
Schon das populäre MP3-Format war patentgeschützt. Der Beliebtheit der | |
Technik tat dies keinen Abbruch. Kritiker von WebM führen zudem an, dass | |
Google die Nutzer seines Formates keineswegs von rechtlichen Ansprüchen | |
Dritter freistellt. Tatsächlich glauben Patentexperten, dass WebM Ansprüche | |
der H.264-Lizenzinhaber tangieren könnte. | |
Für den Nutzer läuft der Kleinkrieg darauf hinaus, dass die Ablösung von | |
Flash als Videoformat wohl länger dauern wird als angenommen. Wer | |
H.264-Videos, die im Web mittlerweile über 60 Prozent Marktanteil haben | |
sollen, in Chrome ansehen möchten, kann das weiterhin über einen | |
sogenannten Flash-Container tun - ein Videoabspielprogramm, das H.264 mit | |
Leistungseinbußen auch in den Google-Browser holt. | |
[1][Beobachter glauben unterdessen,] dass Google mit seinem Schritt auch | |
Apple eins überbraten will. Apple versucht seit mehreren Jahren, von Flash | |
wegzukommen. Geräte wie das iPhone oder das iPad können H.264-Videos | |
problemlos darstellen und hätten von einer Durchsetzung als Standard stark | |
profitiert. Smartphones mit Googles Android-Betriebssystem beherrschen | |
hingegen Flash - eine Technik, die übrigens keineswegs offen ist. | |
17 Jan 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://daringfireball.net/2011/01/practical_vs_idealistic | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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