# taz.de -- Priel gegen Bohrinsel: Das Wattenmeer schlägt zurück | |
> Der Nordsee-Bohrinsel Mittelplate droht die Unterspülung durch einen | |
> Priel. Mit Befestigungen will Betreiber RWE Dea Deutschlands größte | |
> Ölquelle schützen, Umweltverbände wollen das Ende der Förderung. | |
Bild: Am Rand vom Sand: Die Ölplattform Mittelplate droht unterspült zu werde… | |
Für Hans-Ulrich Rösler ist die Sache klar. "RWE Dea verbaut das Watt und | |
fragt erst später nach der erforderlichen Genehmigung. Kein Häuschenbauer | |
kann sich so etwas ungestraft erlauben", schimpft der Leiter des | |
Wattenmeerbüros der Umweltstiftung WWF in Husum. Für den Betrieb der | |
Ölplattform Mittelplate nordwestlich der Elbmündung dürften "keine weiteren | |
wertvollen Wattflächen zementiert werden". Stattdessen sollte die | |
Ölförderung im Schleswig-Holsteinischen Nationalpark Wattenmeer beendet | |
werden. | |
In Friedrichskoog wurde am Dienstag darüber beraten, ob der Energiekonzern | |
RWE Dea rund 85.000 Quadratmeter Watt betonieren darf. Die öffentliche | |
Erörterung wird durchgeführt vom niedersächsischen Landesamt für Bergbau, | |
Energie und Geologie (LBEG), das für Rohstoffförderung in ganz | |
Norddeutschland zuständig ist. Mehrere Naturschutzverbände haben in 28 | |
förmlichen Einwendungen Bedenken gegen die Pläne des Hamburger Konzerns | |
geäußert. Im Wattenmeer, seit 1985 Nationalpark und seit Juli 2009 | |
Unesco-Weltnaturerbe, "hat die Öl-Insel nichts zu suchen", findet Rösler. | |
Konkret will RWE Dea mit einem Kolkschutz verhindern, dass seine | |
Förderinsel fortgeschwemmt wird. Denn der Priel Trischenflinge wandert seit | |
Jahren immer näher nordwärts an die Plattform heran und droht diese zu | |
unterspülen. Deshalb soll auf einer Fläche von mehr als zehn Fußballplätzen | |
die Befestigung aus Steinen und Mörtel, welche Mittelplate einfasst, | |
erweitert und verstärkt werden. | |
Nach Ansicht von RWE Dea ist das der Ausbau eines bestehenden Schutzes und | |
somit "eine Anpassung an natürliche Rahmenbedingungen", wie das Unternehmen | |
im aktuellen Newsletter mitteilt. Nach Einschätzung des WWF jedoch "deckt | |
die ursprüngliche Genehmigung einen derart weitreichenden Eingriff nicht | |
ab". | |
Das jetzige Planfeststellungsverfahren könnte das Ende der Ölförderung im | |
Watt bedeuten, hofft Rösler. Das Genehmigungsverfahren sei verschleppt | |
worden. Tatsächlich habe der Plattformbetreiber schon vor mehr als vier | |
Jahren mit dem Bau begonnen, der als "Reparaturmaßnahme" deklariert worden | |
sei. Bereits seit 2003 sei jedoch bekannt, dass die Trischenflinge zum | |
Problem für die Öl-Insel werde. Trotzdem habe RWE Dea erst 2007 den LBEG | |
informiert - mit dem Ziel, den Kolkschutz nachträglich zu legitimieren. | |
"Ein Priel, der seinen Lauf verändert, ist ein normaler Vorgang in der | |
dynamischen Natur des Wattenmeeres. Dass ein so alltägliches Ereignis die | |
angeblich sichere Plattform bedroht, macht die Gefährlichkeit der | |
Ölförderung im Nationalpark deutlich", findet Silvia Gaus, | |
Naturschutzexpertin bei der Schutzstation Wattenmeer. Und Rösler | |
bilanziert: "Das Wattenmeer schlägt zurück." | |
Dass es sich "um eine erheblichen Eingriff in den Naturraum Wattenmeer" | |
handelt, räumt auch RWE Dea ein: "Die natürliche Dynamik, die unter anderem | |
für die Verlagerung des Priels verantwortlich ist, wird durch den | |
Kolkschutz beeinträchtigt." Als Ausgleich sollen deshalb | |
"strukturverbessernde Maßnahmen auf 54 Hektar Salzwiesen vor Friedrichskoog | |
durchgeführt werden", erläutert RWE-Umweltexperte Heiner Mattfeld. Dagegen | |
gibt es allerdings etliche Vorbehalte unter den Anwohnern. Um diese | |
auszuräumen, will der Konzern jetzt die Vorteile für die Natur und den | |
Tourismus deutlich machen", wie Pressesprecher Derek Mösche sagt. | |
Der gestrige Erörterungstermin sei "sehr ausführlich und sachlich | |
verlaufen", bestätigten am Abend sowohl Mösche als auch Rösler. Einer | |
Entscheidung des LBEG, mit der im Herbst zu rechnen sein dürfte, sehen | |
beide nun "voller Optimismus" entgegen. Einer von beiden wohl zu Unrecht. | |
18 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
## TAGS | |
Robert Habeck | |
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