# taz.de -- Hungerstreik in Saudi-Arabien: Die Grenzen des Regimes austesten | |
> Eine Menschenrechtsgruppe setzt sich für Gefangene ein. Mit einem | |
> Hungerstreik protestieren sie gegen Inhaftierungen in Saudi-Arabien. Doch | |
> der König legt ihnen Steine in den Weg. | |
Bild: König Abdullah ibn Abd al-Aziz kontrolliert die Medien: der Aufruf zum P… | |
RIAD taz | Mohammed al-Qahtani ist ein Mann mit einer Mission. "Wir | |
probieren aus, wie weit wir mit dem Regime gehen können", sagt der | |
ACPRA-Vorsitzende und lächelt dabei verschmitzt. Nun hat al-Qahtanis | |
saudische Vereinigung für politische und zivile Rechte (Saudi Civil and | |
Political Rights Association) wieder einen Testballon steigen lassen. | |
Die Vereinigung hat Menschenrechtsaktivisten im In- und Ausland und | |
politische Gefangene in Saudi-Arabien aufgerufen, am Donnerstag und Freitag | |
in einen Hungerstreik zu treten, um gegen willkürliche Inhaftierungen in | |
Saudi-Arabien zu protestieren. Im Amnesty-International-Bericht von 2010 | |
heißt es über Saudi-Arabien: "Hunderte Terrorverdächtige wurden verhaftet. | |
Tausende andere, in früheren Jahren im Namen der staatlichen Sicherheit | |
verhaftet, verblieben in Haft." | |
In Saudi-Arabien selbst dürfte ACPRAs Aufruf jedoch kaum Wirkung zeigen. | |
Zwar sagt al-Qahtani, dass eine wachsende Anzahl von Anfragen an ACPRAs | |
Facebook-Seite zeige, dass die Vereinigung dort an Zuspruch gewinne. Aber | |
die von der königlichen Familie kontrollierten saudischen Medien schweigen | |
ACPRA tot, und die Internetseite der Vereinigung wird blockiert, sobald | |
darauf neues Material veröffentlicht wird. Dann wechselt ACPRA zu einer | |
neuen Adresse, die die Behörden wiederum blockieren. | |
Anders sieht es allerdings im Ausland aus. International wahrgenommen wurde | |
ACPRA erstmals im November, als die Organisation ein friedliches Sit-in in | |
der Hauptstadt Riad ankündigte, um weitreichende Reformen der absoluten | |
saudischen Monarchie zu fordern. In einem Land, das in den Jahren nach den | |
Attentaten vom 11. September 2001 stark unter Druck von al-Qaida geriet und | |
aus dem 14 der 18 Attentäter kamen, hörte sich die Aktion so exotisch an, | |
dass viele internationale Medien darüber berichtet haben. | |
Gegründet wurde ACPRA allerdings schon im Oktober 2009. In einem Brief an | |
König Abdullah, der einer offenen Kriegserklärung an das Regime gleichkam, | |
forderte ACPRA, dass die Privilegien der mehreren tausend Mitglieder | |
umfassenden königlichen Familie abgeschafft werden - die Höhe ihrer Apanage | |
ist ein Staatsgeheimnis in Saudi-Arabien - und schreibt, dass der Islam dem | |
Land nicht mehr helfen könne. Der Islam ist der Grundpfeiler der saudischen | |
Monarchie, der Koran die Verfassung des Landes. | |
Außer publikumswirksamen Aufrufen liegt die Arbeit von ACPRA jedoch vor | |
allem darin, zu versuchen, inhaftierte Menschenrechtsaktivisten frei zu | |
bekommen. In ihrem wichtigsten Fall, dem seit Februar 2007 ohne Verfahren | |
inhaftierten ehemaligen Richter Suleiman al-Reishudi, so Qahtani, habe | |
ACPRA das Innenministerium in den vergangenen Wochen sogar so weit | |
gebracht, dass es keinen Vertreter mehr zu den Gerichtsverhandlungen | |
geschickt hat. In der Nacht vor der Verkündung der Entscheidung allerdings | |
habe das Innenministerium die Kammer für nicht zuständig erklärt, und das | |
Verfahren an eine andere delegiert, die angeblich in al-Reishudis Gefängnis | |
tagen wird. ACPRA hat Berufung eingelegt. | |
Laut Qahtani sind seit diesem Verfahren Verwandte von anderen Gefangenen an | |
ACPRA herangetreten, deren Fälle die Menschenrechtsorganisation nun | |
aufnehmen wird. "Wir nerven das Innenministerium, wo wir können", sagt | |
Qahtani. "Wir sind wie Mäuse, die die Katze langsam in die Ecke tanzen. | |
Irgendwann wird sie anfangen, Fehler zu machen." | |
21 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Harry Meertens | |
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