# taz.de -- Werder Bremen in der Krise: Fassungslose Feldherren | |
> Beim 0:3 in Köln zeigt sich Bremen in der Verfassung eines | |
> Abstiegskandidaten. Torhüter Tim Wiese erklärt schon jetzt, auf alles | |
> vorbereitet zu sein. | |
Bild: Das System Allofs/Schaaf stößt in all seiner Unaufgeregtheit offensicht… | |
KÖLN taz | Klaus Allofs und Thomas Schaaf gaben sich wirklich alle Mühe, | |
als ein weiterhin verschworenes Duo wahrgenommen zu werden. Schulter an | |
Schulter, wie zwei fassungslose Feldherren, nahmen sie nach dem | |
Schlusspfiff den grün-weißen Trümmerhaufen vor sich auf dem Rasen ins | |
Visier. Und als Werders oberste Drahtzieher eine Dreiviertelstunde später, | |
jeder sein schwarzes Rollköfferchen hinter sich herziehend, gemeinsam das | |
Kölner Stadion verließen, war klar: Zumindest die Manager-Trainer-Achse | |
funktioniert in Bremen noch. Mehr aber auch nicht. | |
Werders Fußballer wollten nach dem unglaublich peinlichen 0:3 in der | |
Domstadt jedenfalls nichts miteinander zu tun haben - so wie während des | |
gesamten Spiels schon. Jeder ging seiner eigenen Wege, und nur mit | |
allergrößter Überwindung nahmen die Kicker vom Weserstrand noch miteinander | |
die Pfiffe ihrer Fans entgegen. Ehe Rechtsverteidiger Clemens Fritz, in | |
Köln so schlecht wie alle anderen Bremer, den verbalen Kniefall vor der | |
eigenen Anhängerschaft übernahm: "Wir können uns nur bei den Fans | |
entschuldigen. Sie fahren am Samstagabend hierher, und wir präsentieren uns | |
dann unter aller Sau." | |
Das große Problem: Dieser Zustand der Schaaf-Elf wird langsam zur Regel, | |
vor allem bei Auswärtsspielen. Die schauerliche Bilanz aus den letzten fünf | |
Partien in der Fremde: vier Niederlagen, ein Remis, 0:15 Tore - so dass die | |
ständigen Beobachter der Hanseaten in bitterer Ironie nach dem ultimativen | |
Tiefpunkt in dieser Saison fahndeten. Das 0:6 in Stuttgart? Das 0:4 auf | |
Schalke? Oder doch diese Demontage durch Abstiegskandidat Köln? | |
Mit-Abstiegskandidat Köln, wie Tim Wiese entgegen anderen Behauptungen vor | |
dem Spiel nun betonte. | |
Werders höchst zuversichtliche Offensivkraft Claudio Pizarro etwa hatte die | |
internationalen Plätze noch als Ziel angegeben, Torwart Wiese dagegen gab | |
jetzt zu Protokoll: "Internationale Plätze? So einen Scheiß kann ich nicht | |
mehr hören. Für uns geht es nur gegen den Abstieg, ganz klar." Von Werders | |
Feldspielern, die sich in Köln nicht eine nennenswerte Torchance | |
erspielten, hatte der 29-jährige Ballfänger "keinen Willen, kein Herz, kein | |
Garnichts" gesehen. "Mit dieser Körpersprache ist nichts zu gewinnen. Wir | |
laufen nur nebenher", formulierte Wiese und antwortete auf die Frage, ob | |
der Tabellen-Dritte des Vorjahres überhaupt auf Abstiegskampf vorbereitet | |
sei, grimmig: "Ich schon." | |
Aber nicht nur die Darbietung der Bremer Elf, sondern auch die ihres | |
Trainers verheißt nichts Gutes. Während der Kollege Frank Schaefer im Spiel | |
ständig Kontakt zu seinen Fußballern aufnahm und, beseelt vom Kölner | |
Teamgeist, selbst seinem formidablen Doppel-Torschützen und neuen | |
Vorzeigekapitän Lukas Podolski nachher kein Sonderlob aussprechen mochte, | |
saß Thomas Schaaf meist still leidend auf seinem Bänkchen oder stand wie | |
ein einsamer Wanderer stumm an der Seitenauslinie. | |
Das System Allofs/Schaaf stößt in all seiner Unaufgeregtheit offensichtlich | |
an die eigenen Grenzen. Da klang es fast schon nach Begräbnisrede, als | |
Schaaf sagte: "Wir wollen den Leute etwas bieten, womit sie sich | |
identifizieren - als Gemeinschaft, und das ist uns ja auch über viele Jahre | |
gelungen." In Köln gelang den Bremern gar nichts. Weder in der Defensive | |
noch in der Offensive, deren Tormaschinerie Werder in der Vergangenheit oft | |
aus der Klemme geholfen hat. Jetzt ist die Maschine kaputt und kommt mit | |
einem gockeligen Stürmer wie Marko Arnautovic an. | |
Es brauche "viel Zeitaufwand", um die Mannschaft auf die gefährliche Lage | |
einzustellen und wieder in die gewohnte Spur zu bringen - betonte Trainer | |
Schaaf, der zudem erklärte: "Ob ich das mache oder ein anderer, ist egal." | |
Vor lauter Schreck über solche Sätze gab Klaus Allofs ("Wir haben unseren | |
Augen nicht getraut, von der ersten Minute an") seinem langjährigen | |
Erfolgscoach nach der Pleite in Köln verbalen wie körperlichen Geleitschutz | |
und meinte mit Blick auf den Besuch des Rekordmeisters am nächsten Samstag: | |
"Es ist fast ein Segen, dass die Bayern kommen. Denn dann ist man darauf | |
vorbereitet, was auf einen zukommt." Bestens vorbereitet waren die Bremer | |
angeblich auch schon auf die Kölner. | |
23 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Morbach | |
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