# taz.de -- Unter Islamismusverdacht: Bundeswehr feuert Al-Qaida-Aussteiger | |
> Yannick Nasir war radikaler Gotteskrieger. Dann sagte er vor Gericht | |
> gegen seinen Stiefvater aus - einen Al-Qaida-Terroristen. Seinen Job bei | |
> der Marine ist er trotzdem los. | |
Bild: Sonst eher nicht für Ängstlichkeit bekannt: Die Fregatte "Hessen". | |
Neuer Ärger für die Bundeswehr. Der SWR-Journalist Holger Schmidt wirft ihr | |
"verantwortungslosen Umgang" mit einem Al-Qaida-Kronzeugen vor. "Der junge | |
Mann hat für Deutschland viel riskiert und wurde von der Bundeswehr dann | |
fallengelassen wie eine heiße Kartoffel", so Schmidt. Der 23-jährige | |
Yannick Nasir ist Stiefsohn des verurteilten Al-Qaida-Terroristen Alleem | |
Nasir. Dieser wurde im Juli 2009 vom Oberlandesgericht Koblenz zu acht | |
Jahren Haft verurteilt, wegen Mitgliedschaft bei al-Qaida. | |
Das Urteil stützte sich wesentlich auf die belastenden Aussagen von Yannick | |
Nasir, dem Stiefsohn. Dieser war damals bei der Bundeswehr und plante eine | |
Unteroffizierskarriere. Doch dann beendete die Marine überraschend den | |
Zeitsoldaten-Vertrag, "wohl aus Angst vor der öffentlichen Wirkung, einen | |
Exterroristen in den eigenen Reihen zu haben", vermutet Schmidt. | |
Heute lebt Yannick Nasir im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms unter neuer | |
Identität. Der SWR-Terrorismusexperte Schmidt hat ihn mehrfach getroffen | |
und ein Radio-Feature produziert. Die einstündige Dokumentation läuft unter | |
dem Titel "Inside al-Qaida" ab Mittwoch auf verschiedenen ARD-Kanälen. | |
Vater Alleem Nasir war Ingenieur. 1987 kam der Pakistaner nach Deutschland, | |
heiratete eine schwangere deutsche Studentin, bekam 1992 die deutsche | |
Staatsbürgerschaft. Obwohl er schon früh als radikaler Islamist aufgefallen | |
war, arbeitete er zeitweise am Kernforschungszentrum Karlsruhe. Den Job | |
verlor er, als er nach den Anschlägen von 2001 am Arbeitsplatz eiferte: | |
"Solche Anschläge wird es jetzt überall in Deutschland geben." | |
Nasir versuchte sich nun als Schmuckhändler in Germersheim (Pfalz), | |
pendelte dabei zwischen Pakistan und Deutschland. Hier sammelte er Geld für | |
den Dschihad, das er in Pakistan ablieferte, zeitweise direkt bei al-Qaida. | |
Auch beschaffte er Ausrüstungsgegenstände und schickte "Rekruten" nach | |
Pakistan. Zu ihnen gehörte der jüngst gestorbene Bonner Bekkay Harrach, der | |
im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 mit seinen Drohvideos bekannt wurde. | |
Yannick sollte Alleem Nasirs Stellvertreter werden. 2002 schickte er den | |
damals 15-Jährigen mit der Familie für einige Zeit nach Pakistan und nahm | |
ihn auch zu konspirativen Treffen mit. Yannick besuchte in Pakistan eine | |
Koranschule, später ein Wehrsportlager. Er wurde selbst zum Gotteskrieger, | |
teilweise war er radikaler als sein Mentor. | |
Zum Bruch kam es, weil Alleem Nasir seinen Stiefsohn immer wieder | |
verprügelte und sein Privatleben kontrollieren wollte. 2007 verlässt | |
Yannick die Familie. Er beginnt ein neues Leben und verpflichtet sich bei | |
der Bundeswehr. An Bord der Fregatte "Hessen" schützte der ehemalige | |
Gotteskrieger nun die Küste des Libanon gegen die Waffenschmuggler der | |
Hisbollah. Als ihn die Polizei fragte, was er zu seinem Stiefvater sagen | |
kann, packte er aus, tagelang. Auch im Prozess stand Yannick Nasir zu | |
seinen Aussagen. Am Revers trug er dabei eine kleine Deutschlandfahne, als | |
Zeichen, für welche Seite er sich entschieden hat. | |
Nur eine Bedingung will Yannick Nasir damals genannt haben: "Ich sage nur | |
aus, wenn ich meinen Job behalten kann." Die Ermittler bestreiten gegenüber | |
dem SWR, dass es Versprechungen gegeben hat. Jedenfalls wurde der | |
Militärische Abschirmdienst informiert und Yannick Nasir zunächst | |
beurlaubt, später wurde seine Dienstzeit verkürzt, "aus persönlichen | |
Gründen". Angeblich konnte die Bundeswehr nicht für seine Sicherheit | |
sorgen. | |
Yannick Nasir ist enttäuscht. Zwar bereut er den Bruch mit seinem | |
Stiefvater nicht, auch nicht die Aussagen vor Gericht. Aber er sagt auch: | |
"Für mich hat sich das in keinster Weise gelohnt. Im Gegenteil, ich habe | |
sehr viel einbüßen müssen." Eine Ermutigung für potenzielle | |
Al-Qaida-Aussteiger ist das nicht. | |
SWR-Mann Schmidt hat kein Verständnis für die Bundeswehr. "Die | |
Bundesanwaltschaft hält Yannick Nasir für zuverlässig, ebenso das | |
Oberlandesgericht, warum soll er nicht Soldat sein können?", sagte er zur | |
taz. "Kann es sich die Bundeswehr wirklich leisten, auf einen jungen Mann | |
zu verzichten, der Arabisch und Urdu spricht, der den Koran ebenso kennt | |
wie die Denkweise von Gotteskriegern?" Die Bundeswehr nahm bis | |
Redaktionsschluss zu den Vorwürfen keine Stellung. | |
24 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |