# taz.de -- Schriftsteller Peter-Paul Zahl gestorben: Kein Heros vom Establishm… | |
> Im Alter von 66 Jahren ist der Schriftsteller und Herausgeber der | |
> früheren Anarchozeitung "Agit 883" Peter-Paul Zahl auf Jamaica gestorben. | |
Bild: Lebte und arbeitete seit 1985 auf Jamaica: Schriftsteller Peter Paul Zahl. | |
Es war unklar, ob der Preisträger persönlich erscheinen konnte, denn er war | |
ein Häftling, der gerade erst aus der Einzelhaft in den Normalvollzug | |
überstellt worden war. | |
Als dem 1944 in Mecklenburg geborenen Peter-Paul Zahl im Jahr 1980 der | |
Literaturförderpreis der Freien Hansestadt Bremen verliehen wurde, saß | |
dieser junge Autor schon seit rund acht Jahren im Knast. Als mutmaßlicher | |
Terrorist. Er hatte sich im Jahr 1972 seiner Verhaftung widersetzt, dabei | |
von der Schusswaffe Gebrauch gemacht und einen Polizisten schwer verletzt. | |
Die Haftjahre nutzte Zahl, der bereits 1968 mit einem Buch in Erscheinung | |
getreten war, zum Schreiben nicht nur politischer Texte. 1979 erschien dann | |
schließlich sein berühmtester Roman "Die Glücklichen", in der Zahl eine | |
Alternativkultur beschrieb, die viele, die von den Utopien der Jahre 68 ff. | |
geprägt waren, sehr gut kannten. "Die Glücklichen" wurde zum Kultbuch. | |
Der im Dezember letzten Jahres verstorbene Peter O. Chotjewitz, der nicht | |
nur Schriftstellerkollege, sondern auch Zahls Anwalt war, erinnerte sich | |
vor einigen Jahren, dass er Zahl – obschon dieser immerhin wegen versuchten | |
Mordes in zwei Fällen zu 15 Jahren Haft verurteilt worden war und als | |
politischer Häftling galt – einfach so mit dem Privatwagen aus der | |
Haftanstalt abholen durfte. Chotjewitz, der selbst als Unterstützer der RAF | |
angeklagt gewesen war, musste lediglich garantieren, den Häftling später | |
auch brav wieder abzuliefern. Der Strafvollzug für Staatsfeinde war nach | |
dem Deutschen Herbst des Jahres 1977 nicht immer ohne Witz. | |
Zahl nun erhielt den wichtigen Literaturpreis, und seine Schriften wurden | |
somit von der Literaturkritik quasi geadelt. Mit geadelt wurde dabei | |
allerdings auch immer der linksradikale Aktivist, der bei der legendären | |
Berliner Untergrundzeitschrift 883 mitwirkte (und nicht nur bei dieser), | |
der amerikanische GIs bei der Desertation und der Flucht nach Schweden | |
unterstützte, der als Betreiber einer kleinen Druckerei half, so manch | |
einer klandestinen Schrift eine Öffentlichkeit zu geben. Er war der | |
Verleger von Westberliner Anarchisten und Gutlebeleuten, er selbst war auch | |
durchaus ein Lebemensch. | |
Die Bremer Preisverleihung im Jahr 1980 war ein kleiner Skandal. Der damals | |
noch weitgehend linksliberal gesonnene Literaturbetrieb genoss die | |
Aufregung um den Preisträger. Dieser selbst genoss sie offensichtlich | |
ebenso. | |
Nach der Haftentlassung, im Dezember 1982, und nach einigen merkwürdigen | |
Wiedereingliederungsmaßnahmen für den bereits anerkannten Schriftsteller | |
blieb Zahl ein linker Aktivist, doch wurde er gemäßigter. Sein Aktionsdrang | |
verlegte sich ins literarische, er bereiste die damals für Linke | |
interessanten Länder, schließlich ließ er sich auf der coolen Kifferinsel | |
Jamaika nieder, der er sich auch literarisch näherte, allerdings oft auch | |
sehr klischeehaft und oberflächlich. | |
Peter-Paul Zahl war kein politischer Theoretiker, kein großer Denker und | |
kein feiner Stilist, er war manchmal derb, weil er nicht anders konnte, | |
große Romane im Sinne der bürgerlichen Literaturkritik hat er nicht | |
geschrieben, dennoch sind die besten seiner vielen Bücher weit mehr als nur | |
Dokumente einer engagierten Linksliteratur. Zahl hatte Humor. Und auch | |
Selbstironie. | |
Er galt als "Figur", nicht als Autor | |
Dass der Ruf des Politaktivisten bis zuletzt seinen literarischen Rang | |
überdeckte - es hatte positive und negative Folgen für ihn. Einerseits galt | |
er den meisten Fans der "Glücklichen" mit allem, was er publizierte, als | |
literarischer Heros, andererseits mied ihn der etablierte Literaturbetrieb | |
zusehends. Er galt als "Figur", nicht als Autor. | |
Auch der Umstand, dass ihm mit dem Glauser im Jahr 1995 für seinen Krimi | |
"Der schöne Mann" einer der wichtigsten Krimipreise verliehen wurde, | |
änderte nichts daran. In den letzten zwei Jahren suchte Zahl noch Verlage | |
für neue und vergriffene Titel, doch er wurde - soweit bekannt ist - nicht | |
mehr fündig. "Miss Mary Huana" von 2007 ist sein letztes zu Lebzeiten | |
veröffentlichtes Buch. | |
Dieses Schicksal hat er, bei aller berechtigten Kritik an seinen manchmal | |
doch mit allzu heißer Nadel gestrickten Büchern, nicht verdient. | |
Am Montag starb Zahl im Alter von 66 Jahren im Krankenhaus von Port Antonio | |
auf der Insel Jamaica. Im vergangenen Jahr hatte sich Zahl wegen eines | |
Krebsleidens noch in Deutschland behandeln lassen und kehrte dann in sein | |
Haus in Longbay zurück. | |
25 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Jörg Sundermeier | |
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