# taz.de -- Halbherziger Befreiungsschlag in Bolivien: Alte Minister neu einges… | |
> Präsident Evo Morales hat sein Kabinett umgebildet. Nach heftigen | |
> Protesten gegen die Streichung von Subventionen ist die Stimmung im Land | |
> schlecht. | |
Bild: Präsident unter Druck: Evo Morales nach fast einem Jahr seiner zweiten A… | |
BUENOS AIRES taz | Boliviens Kabinett ist seit Sonntag neu eingeschworen. | |
Die linke Hand zur Faust erhoben und die rechte auf dem Herzen, gelobten | |
die 20 Ministerinnen und Minister dem Land und ihrem Präsidenten Evo | |
Morales die Treue. Noch Stunden zuvor war das Kabinett geschlossen | |
zurückgetreten. Die Posten im Energie-, Produktions- und Umweltministerium | |
wurden neu besetzt. In den übrigen 17 Ministerien fand kein Personalwechsel | |
statt. Dem neuen Kabinett gehören wiederum zehn Frauen und zehn Männer an. | |
Nach ziemlich genau einem Jahr seiner zweiten Amtszeit bläst dem | |
Präsidenten der Wind ins Gesicht. Und diesmal wettert nicht nur die | |
politische Opposition gegen ihn. Es grummelt an der Basis. In den Umfragen | |
hat Morales viel an Rückhalt verloren hat. Je nach | |
Meinungsforschungsinstitut liegt er mal knapp über, mal knapp unter 30 | |
Prozent Zustimmung. Vor allem das Chaos um die Subventionen für Treibstoffe | |
kurz vor dem Jahreswechsel hat Morales' Image bei der eigenen Klientel tief | |
angekratzt. | |
Wie aus heiterem Himmel hatte er die Streichung von Subventionen für Benzin | |
und Dieselkraftstoff angeordnet. Danach waren die Spritpreise um teilweise | |
mehr als 80 Prozent gestiegen. Sofort schnellten auch die Preise für | |
Fahrten beim öffentlichen Verkehr und einige Grundnahrungsmittel nach oben. | |
Nach heftigen Protesten und zum Teil gewalttätigen Demonstrationen, bei | |
denen selbst in Morales' Hochburgen El Alto und La Paz plötzlich "Evo | |
raus!"-Rufe ertönt waren, musste Morales die Anordnung wenige Tage später | |
komplett zurücknehmen. | |
Wer dem Präsidenten zu der ersatzlosen Streichung der Subventionen geraten | |
hatte, darüber wird spekuliert. Der jetzige Austausch des Energieministers | |
könnte darauf hindeuten, dass Morales der Öffentlichkeit in dem abgesetzten | |
Luis Fernando Vincenti einen Schuldigen für die politische Krise | |
präsentieren will. Doch der Sessel im Energieministerium ist nicht erst | |
seit dem Amtsantritt von Evo Morales im Januar 2006 ein Schleudersitz. Mit | |
dem Neuen hat jetzt der sechste Minister Platz genommen. José Luis | |
Gutiérrez, ein Ingenieur, hat 22 Jahre Erfahrung im Energiebusiness. Er | |
gehörte dem Kabinett bereits als Vizeminister für Energie, Handel und | |
Transport an. | |
Bei den Benzinpreisen ist wieder alles wie zuvor. Doch das politische Klima | |
hat sich spürbar verändert. Denn trotz der Rücknahme der Maßnahmen hat | |
Morales deutlich gemacht, dass die derzeitige Subventionspolitik nicht ewig | |
fortsetzbar ist und zukünftig Einschnitte auch bei der eigenen Basis nötig | |
sind. | |
Morales hat denn auch angekündigt, dass die Subventionen zurückgefahren | |
werden müssen. "Wir bitten alle gesellschaftlichen Gruppen um Verständnis | |
dafür, dass es im Staatshaushalt dafür keine Kapazitäten gibt", sagt | |
Morales. Dennoch: Das zu vermitteln wird schwer. Die indigene Basis ist | |
pragmatisch. Sie folgt weniger der politischen Strategie der Regierung als | |
vielmehr dem, der etwas für sie tut. | |
An der Basis gärt es deshalb weiter. Es ist ein "schlechtes Signal", dass | |
17 Minister im Amt verbleiben, so Rafael Quispe, vom nationalen Rat der | |
Ayllus und Markas Conamaq, einem Zusammenschluss dörflicher und familiärer | |
indigener Gemeinschaften. Morales "macht weiter mit der Politik des | |
Kolonialstaates". Abwartend verhält sich die Gewerkschaft der Landarbeiter | |
CSUTCB. "Wir werden noch nicht darüber reden, wie viel Zeit wir den neuen | |
Ministern geben. Sie sollen erst mal ihren Einsatz zeigen." | |
25 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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