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# taz.de -- Berlin geht auf die Barrikaden: Rot-Rot verweigert Spitzeldienste
> Berlin boykottiert die "Extremismusklausel" von Familienministerin
> Kristina Schröder (CDU) - und legt dagegen Widerspruch ein. Dafür gibt's
> Lob von allen Seiten. Gelder liegen nun auf Eis.
Viele Freunde hatte die so genannte "Demokratieerklärung" von
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) noch nie. Jetzt
boykottiert mit Berlin das erste Bundesland das neue Förderverfahren für
Projekte gegen Rechtsextremismus der Bundesregierung. Sozialsenatorin
Carola Bluhm (Linke) teilte am Donnerstag mit, dass sie gegen die
"zweifelhafte Erklärung" Widerspruch eingelegt habe.
Nach Willen des Bundesfamilienministeriums sollen Träger von Projekten des
Programms "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" künftig eine
"Demokratieerklärung" unterschreiben, um Fördergelder zu erhalten. Darin
enthalten ist eine "Extremismusklausel", in der die Antragsteller
unterzeichnen müssen, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu
bekennen - und alle ihre potentiellen Partner auf deren Verfassungstreue zu
überprüfen. Dafür soll sich im Zweifel an den Verfassungsschutz gewendet
werden.
Als "herber Rückschlag im Kampf gegen extremistische Strukturen und für
Betroffene von rechtsextremer Gewalt", bezeichnete Bluhm die Klausel.
Initiativen würden vor die existenzielle Entscheidung gestellt, Aufgaben
des Verfassungsschutzes zu übernehmen oder schlimmstenfalls ihre Arbeit
einstellen zu müssen. "Der Einsatz für demokratische Werte sollte gewürdigt
und nicht behindert werden", kritisierte Bluhm.
Berlin erhält vom Bund jährlich 250.000 Euro für Projekte gegen
Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Gegen den diesjährigen
Zuwendungsbescheid hat Bluhm mit Verweis auf die Koppelung an die
Demokratieerklärung Widerspruch eingelegt. Die Gelder liegen nun vorerst
auf Eis. "Wir warten ab, wie der Bund reagiert", so eine Sprecherin Bluhms.
Anti-Rechts-Initiativen lobten den Senat für dessen Widerstand. "Wir
begrüßen die politisch eindeutige Positionierung sehr", sagte Bianca Klose,
Geschäftsführerin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Die
Extremismusklausel sei "unzumutbar", sie konterkariere
zivilgesellschaftliche Beratungskonzepte und jahrelange Demokratiearbeit.
"Ich hoffe, dass sich andere Länder dem Vorbild Berlins anschließen."
Doro Zinke, DGB-Vorsitzende in Berlin-Brandenburg, begrüßte den Boykott
ebenfalls. Die Erklärung sei "unscharfer Blödsinn" und offenbar "ein
spezielles Hobby der Bundesfamilienministerin". Auch die Grünen-Abgeordnete
Canan Bayram sagte: "Solch ein Unsinn muss weg. Hier wird von
ehrenamtlicher, wertvoller Arbeit abgeschreckt, indem man Engagierte unter
Generalverdacht stellt."
Berlin beruft sich in seinem Widerspruch auf ein Gutachten des Berliner
Verwaltungsrechtlers Ulrich Battis, der Teile der Demokratieerklärung als
"verfassungsrechtlich bedenklich" bezeichnet hatte. Battis zollte dem Senat
am Donnerstag Respekt. "Die Erklärung geht viel zu weit, ist viel zu
unbestimmt." Der Staat müsse im "Meinungskampf" Zurückhaltung üben. Dies
sei mit der Demokratieerklärung deutlich misslungen.
Berlin- und bundesweit beraten Initiativen ein gemeinsames Vorgehen gegen
die Erklärung. Für kommenden Dienstag rufen sie zu einem Aktionstag gegen
die Klausel auf - mit dem massenhaften Verschicken von Protestmails,
Briefen und Faxen an Familienministerin Schröder.
27 Jan 2011
## AUTOREN
Konrad Litschko
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