# taz.de -- Die Ruhe vor dem Sturm: Im Liebig-Kiez wirds ungemütlich | |
> Die geplante Räumung der Liebigstraße 14 bereitet vielen Nachbarn Sorgen. | |
> Die Polizei empfiehlt Kneipen und Läden, am Mittwoch gar nicht erst zu | |
> öffnen. Auch eine Kita ist betroffen. | |
Bild: Am 2. Februar soll geräumt werden: Liebigstraße 14 | |
Die Polizei bereitet den Friedrichshainer Kiez rund um das Hausprojekt | |
Liebigstraße 14 auf den Ausnahmezustand vor. Sie empfiehlt den Betreibern | |
von Gewerbebetrieben, am Mittwoch nicht zu öffnen. Grund sei die für diesen | |
Tag geplante Räumung des Hausprojekts, für die schätzungsweise 1.000 Beamte | |
eingesetzt werden. Auch die Kita "Tausendfüßchen" der Arbeiterwohlfahrt | |
(AWO) mit 180 Kindern liegt in unmittelbarer Nähe der Liebig 14. Für sie | |
bestünde jedoch "keine Gefahr". Das habe ihr die Polizei mitgeteilt, | |
berichtete eine Sprecherin der AWO. | |
Am Mittwoch ab 8 Uhr soll die Liebig 14 geräumt werden. Dem 1990 besetzten | |
und später legalisierten Haus wurde von den Eigentümern gekündigt, die | |
Bewohner unterlagen im November 2009 vor Gericht. Anfang Januar erreichte | |
sie der Räumungsbescheid. | |
Bereits am Mittwoch hat der Bezirk in der Liebig- und der Rigaer Straße | |
Parkverbotschilder aufgestellt - gültig von Mittwoch, 5 Uhr, an bis zum | |
folgenden Morgen. Von "Unruhe" in der Nachbarschaft berichtet Canan Bayram. | |
Die Grünen-Abgeordnete hat ihren Wahlkreis im Kiez. Die bereits jetzt hohe | |
Polizeipräsenz verunsichere viele Anwohner. Sie wüssten nicht, mit welchen | |
Einschränkungen sie am Mittwoch zu rechnen haben. "Es geht nicht, dass da | |
von der Polizei keine Informationen kommen", schimpft Bayram. Viele | |
Anwohner seien betrübt über das Ende der Liebig 14. | |
Sengül Obst arbeitet seit drei Jahren in der "Bäckerei 2000" gegenüber der | |
Liebig 14. Sie verstehe sich gut mit den Bewohnern. "Die tun doch niemandem | |
was. Sie sitzen einfach auf ihren Sofas auf der Straße und trinken ihr | |
Sterni-Bier für 60 Cent", sagt die 38-Jährige. Sengül Obst will die | |
Bäckerei auch am Räumungstag öffnen - gegen den Rat der Polizei. Die | |
Betreiber der Bar Paparazzi um die Ecke in der Rigaer Straße halten | |
ebensowenig von der Aufforderung der Ordnungshüter. "Wir haben keine Angst. | |
Krawalle sind wir aus der Gegend schon gewöhnt", sagt Barfrau Nicole | |
Tessmer. | |
Ausgerechnet in der Galiläakirche, in der das Jugendwiderstandsmuseum | |
untergebracht ist, wird die Empfehlung der Polizei befolgt. "Ich will | |
nicht, dass die Linken meine spitzen Pappaufsteller als Waffen benutzen", | |
sagt Museumschef Lutz Baumann. Er habe sich in der DDR an vielen Protesten | |
beteiligt. Was die Liebig-Bewohner treiben, hält er für "Kindergarten". | |
Im echten Kindergarten, bei "Tausendfüßchen", machen sich Erzieherinnen und | |
Eltern Sorgen. Eine Mutter etwa behält ihre zwei Kinder am 2. Februar | |
lieber zu Hause. "Die müssen das mit der ganzen Polizei nicht sehen", sagt | |
sie. Trotz des hohen organisatorischen Aufwands will die Kita geöffnet | |
bleiben, erklärt eine Erzieherin. "Wer kommt, der kommt", sagt sie. Die | |
Sprecherin der Kita-Trägers AWO, Nicole Behrens, erklärte, dass es der | |
ausdrückliche Wunsch vieler Eltern gewesen sei, die Kita geöffnet zu | |
lassen. Die Polizei habe ihr versichert, dass der Zugang zur Kita möglich | |
sei, sagte die Sprecherin. Am Montag will sich die Kita-Leitung nochmals | |
mit der Polizei zusammensetzen. Die benachbarte Liebig-Grundschule hat | |
unterdessen die Ferienbetreung für Mittwoch abgesagt. | |
Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte am Montag dementiert, Schließungen | |
von Kitas oder Schulen im Umfeld der Liebig 14 angewiesen zu haben. Dies | |
sei Ermessenssache der Einrichtungen. Am Donnerstag wollte die Polizei | |
keine Stellungnahme abgeben. | |
Doch schon jetzt hat sie den Kiez unter Kontrolle: Mannschaftswagen | |
schleichen regelmäßig durchs Viertel und parken abends vor der Liebig 14. | |
"Fast jede Stunde fährt ein Streifenwagen an meiner Tür vorbei", ärgert | |
sich auch der Betreiber der Pizzeria Castello in der Rigaer Straße. Seiner | |
Meinung nach ist der Einsatz übertrieben. Die Bewohner der Liebig 14 habe | |
er als sehr freundliche Menschen kennengelernt. | |
Sein Nachbar, der Spätkaufbetreiber Üzüm Hüseyin, hofft, dass die Polizei | |
bei ihrem Räumungsversuch erfolglos ist. "Auf der Welt ist genug Platz für | |
alle." | |
27 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Janina Trebing | |
Konrad Litschko | |
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