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# taz.de -- Abfallwirtschaft ist überflüssig: Im Kreis denken
> Der meiste Abfall hierzulande wird recycelt. Doch wie sieht die perfekte
> Kreislaufwirtschaft aus? Die Cradle-to-Cradle-Fans haben darauf eine
> Antwort. Eine Ausstellung.
Bild: Ein optimiertes T-Shirt im Zerfallsprozess.
BERLIN taz | 35,4 Millionen Tonnen Müll sind im Jahr 2009 auf deutschen
Abfalldeponien gelandet - etwa 3,5 Millionen Müllautos voll. Das klingt
viel, ist aber der niedrigste Wert seit Beginn der Messungen des
Statistischen Bundesamtes im Jahre 1975. Gelagert wurde vor allem
Bauschutt, Schlacke aus Verbrennungsprozessen und Klärschlamm.
Während die Berge auf den Müllkippen langsamer wachsen, arbeiten die Öfen,
in denen Abfall verbrannt wird, auf Hochtouren. Auch 2009 sind wieder mehr
Tüten, Kartons und alte Schuhe verbrannt worden als im Jahr zuvor. Das muss
nicht unbedingt schlecht sein, sagt Harald Junker vom Umweltbundesamt.
Recycling ist der Verbrennung nicht immer vorzuziehen: nämlich dann nicht,
wenn trotz hohen Energieaufwands nur ein minderwertiges Recyclingprodukt
hergestellt wird.
Mit einer Verwertungsquote von rund 65 Prozent sei Deutschland schon jetzt
führend, sagt Michael Schneider, Sprecher des Lünener
Entsorgungsunternehmens Remondis. Den Namen "Entsorger" hört er gar nicht
gern. Schließlich entsorge man kaum noch Abfall, sondern stelle der
Industrie möglichst viele Rohstoffe daraus wieder zur Verfügung.
Allerdings: Die derzeitige Recyclingwirtschaft sei nur ein Schritt auf dem
Weg in eine wirkliche Kreislaufwirtschaft. Darum stelle Remondis auch auf
dem Cradle-to-Cradle-Festival in Berlin aus.
Von der Wiege bis zur Wiege: Das Konzept des Chemikers Michael Braungart
bedeutet, dass Produkte am Ende ihres Lebens nicht weniger wert sein sollen
als zu Beginn. Noch bis Mitte März zeigt Braungart in Berlin, wie dieses
Konzept umgesetzt werden kann: Einige Cradle-to-Cradle-Produkte sind
bereits auf dem Markt.
Etwa ein Bürostuhl, der leicht wieder auseinanderzunehmen ist. Der Stoff
der Sitzfläche sei schadstofffrei, so Braungart. Auch wenn sich beim Nutzen
Fasern abrieben, vergifteten sie nicht den Büroraum. Die Armlehnen und die
Lehne aus Kunststoff könnten bis zu 200-mal eingeschmolzen und neu
verwendet werden.
"Der Hersteller sorgt dafür, dass er die Materialien wieder zurückbekommt",
sagt Braungart. Als Chemiker setzt er zwar bei den Inhaltsstoffen an - nur
was gut und nützlich ist, soll verwendet werden. Doch zu Cradle-to-Cradle
gehören auch andere Geschäftsmodelle. "Hier wird kein Bürostuhl verkauft,
sondern gesundes Sitzen", sagt Braungart. Könne der Stuhl nicht mehr
genutzt werden, gehe er zurück in die Fabrik, und es werde wieder ein Stuhl
daraus. Oder eine Waschmaschine oder ein Computer.
Der niederländische Elektronikkonzern Philips zeigt in der Ausstellung
einen Fernseher mit einem Aluminiumgehäuse, 60 Prozent davon recycelt. "Das
lässt sich immer wiederverwenden", sagt Philips-Sprecher Georg Wilde. Der
Fernseher lasse sich - wie auch der Bürostuhl - komplett auseinanderbauen.
Mit über 1.300 Euro ist die Aluglotze ziemlich teuer. Doch es gebe "eine
substanzielle Kundengruppe, die an guten und ökologischen Produkten
interessiert" sei, so Wilde. Aus der "Ökonische" sei man längst raus.
Und auch den Klassiker des Cradle-to-Cradle zeigt Braungart in Berlin: das
kompostierbare T-Shirt. Hat es die Mode überholt, "kann ich es in den
Garten legen und damit düngen", so Braungart. Nicht nur unschädlich sollen
die Dinge sein, sondern nach ihrem Gebrauch auch zusätzlichen Nutzen haben,
so wie Blätter einen Baum nähren, nachdem sie abgefallen sind.
Man müsse das Thema "praktisch-pragmatisch" sehen, sagt allerdings Jürgen
Giegrich vom Heidelberger Ifeu-Institut. Würde zum Beispiel ein
Baumwoll-T-Shirt im Garten, also an der frischen Luft, kompostiert,
zersetze es sich zu Kohlenstoff. Der sei aber im Garten genügend vorhanden.
Baue man das T-Shirt hingegen unter Ausschluss von Sauerstoff ab,
zersetzten Bakterien es zunächst zu Methan. "Das kann man verbrennen und
damit Energie erzeugen", sagt Giegrich. Kompostieren klinge gut, sei aber
nicht unbedingt das Nachhaltigste. Auch könne man zwar jeden Stoff
dematerialisieren - nur werde man dazu immer Energie brauchen. "Solange
saubere Energie ein knappes Gut ist, ist die Vermeidung von Abfall das
Wichtigste."
Das [1][Cradle to Cradle-Festival] findet noch bis zum 16. März 2011 statt:
in Berlin im Aedes am Pfefferberg, Christinenstraße 18-19, Mo-Fr: 11 bis
18:30 Uhr, Sa/So 13 - 17 Uhr
28 Jan 2011
## LINKS
[1] http://www.cradletocradlefestival.com/
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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