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# taz.de -- Hähnchenmastanlage gefährdet Gesundheit: Giftige Kornkammer
> Die intensive Hühnermast in Niedersachsen macht der Umwelt zu schaffen.
> Sie schädigt das Grundwasser und verkeimt die Umwelt, wie politisch
> engagierte Ärzte in einer Studie behaupten.
Bild: Gut für die Ernte - schlecht fürs Grundwasser: Ein Acker wird im große…
HAMBURG taz | Die Massentierhaltung in Niedersachsen gerät zunehmend in die
Kritik. Am Montag haben die Anwohner einer geplanten Hähnchenmastanlage bei
Salzgitter eine Studie an Ministerpräsident David McAllister (CDU)
geschickt, die belegen soll, wie gefährlich der Staub und der Mist aus den
Ställen ist. Zugleich wurde bekannt, dass das Land mit der Sanierung seiner
Gewässer hinter EU-Vorgaben zurückbleibt. Hierfür ist zu einem großen Teil
die intensiv betriebene Landwirtschaft verantwortlich.
Die Bürgerinitiative Üfingen-Alvesse sandte ihre Hähnchenstall-Studie mit
einem Offenen Brief an McAllister, in dem sie diesen auffordern, seiner
Verantwortung für die Gesundheit aller Niedersachsen gerecht zu werden. Die
Initiative wehrt sich gegen den Bau von Ställen mit 85.000 Tieren, die ohne
Filter und Keimgutachten genehmigt worden seien (taz berichtete).
McAllister möge sich binnen sieben Tagen zu den in der Studie geschilderten
Gefahren äußern.
Für die Expertise holten sich die Leute aus Üfingen-Alvesse Hilfe aus dem
Landkreis Aurich, wo um eine Mastanlage für 40.000 Tiere gestritten wird.
Der Amtsarzt hatte dort verneint, dass Staub und Mist aus Ställen den
Menschen in der Umgebung gefährlich werden könnten. Die Autoren der Studie,
promovierte Ärzte, sehen das anders.
Die Luft in Hähnchenmastanlagen sei schlechter als in anderen Ställen,
schreiben Thomas Fein, Burkhard Kursch und Lutz Kaiser nach dem Studium
einschlägiger Literatur. In Hähnchenställen hätten sich "die höchsten
Konzentrationen an Gesamtkeimen, Staphylokokken, Enterobakterien und
Schimmelpilzen" gefunden - 12.000-mal mehr Keime als in der Außenluft. Dazu
komme die hohe Konzentration giftiger Zellbestandteile. All das belastet
Mensch und Vieh in den Ställen.
Ein Teil davon gelangt in die Umgebung. In mehr als 300 Metern Entfernung
sei noch das Siebenfache der normalen Konzentration an Staphylokokken
nachweisbar. Aus den Anlagen strömten weitere Bakterien, Schimmelpilze und
Gifte - letztere aber nur in geringen Mengen. Zum Teil werde der Staub mehr
als 500 Meter weit geweht. Ein besonderes Problem stellt der Mist dar. Das
Gemisch aus Streu und Kot wird auf die Felder gekleckert und vom Winde
verweht, samt der gefährlichen Partikel.
Die Ärzte zitieren Studien, nach denen Menschen, die in Mastanlagen
arbeiten, besonders oft an den Atemwegen erkranken. In der Umgebung zeigten
die "Bioaerosole" aus den Tierställen nur bei besonders empfindlichen
Menschen Wirkung. Die Ammerländer SPD-Landtagsabgeordnete Sigrid Rakow
beschreibt das aus AnwohnerInnensicht so: "Es ist so viel Feinstaub in der
Luft, dass man eigentlich keinen Lebensmittelmarkt betreiben könnte."
Der Dung der 47 Millionen niedersächsischen Hühner dürfte seinen Teil zur
Verunreinigung der Gewässer beitragen. Bundesweit stammten 61 Prozent der
Stickstoffeinträge in Gewässern aus der Landwirtschaft, hat das
Umweltbundesamt ermittelt. In Niedersachsen dürfte der Wert eher höher
liegen. Die Landesregierung nennt als Quelle vor allem die Rinderhaltung
und die wachsende Menge an Gärresten aus Biogasanlagen.
Der Befund ist jedenfalls Besorgnis erregend: Auf 62 Prozent der
Landesfläche sei das Grundwasser nach den Regeln der europäischen
Wasserrahmenrichtlinie in chemisch schlechtem Zustand, teile die
Landesregierung auf Anfrage der SPD mit. Auf 59 Prozent der Fläche sei
dafür ein zu hoher Gehalt an Nitrat - einer Stickstoffverbindung, die
krebserregende Nitrosamine erzeugen und bei Säuglingen zu Sauerstoffmangel
führen kann.
Seit das Umweltbundesamt Anfang der 90er Jahre seinen ersten Nitrat-Bericht
veröffentlich hat, ist die Gewässerbelastung zwar insgesamt zurückgegangen.
Zuletzt hat sie sich aber gerade in Niedersachsen an einigen Messstellen
wieder verschlechtert. Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband habe
sie auf dieses Problem aufmerksam gemacht, berichtet die SPD-Abgeordnete
Rakow, Co-Autorin der Anfragen. "Wehret den Anfängen", sagt sie.
Das Trinkwasser ist nach Auskunft der Landesregierung nicht in Gefahr. Bei
1.600 Nitrat-Untersuchungen in 600 Wasserversorgungsgebieten seien
durchschnittlich 11 Milligramm Nitrat pro Liter gemessen worden; zulässig
sind 50 Milligramm. Nur dreimal im Kreis Hameln-Pyrmont sei mehr
festgestellt worden - bis zu 61 Milligramm. Aus Sicht Rakows klingt das
harmloser als es ist.
1 Feb 2011
## AUTOREN
Gernot Knödler
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