# taz.de -- DAVOS: "Die Schatzalp lebt wieder" | |
> Weg vom Pistenrummel hin | |
> zu langsamen Winterfreuden - ein Schweizer Skigebiet liegt im Trend. | |
Bild: Langsam bringt der alte Bügellift den Skifahrer auf 2.350 Hohenmeter zur… | |
Davos Platz ist eine Endstation der Rhätischen Bahn. Snowboarder und | |
Skifahrer treffen sich im Kaffeeklatsch, um später in der Ex-Bar | |
abzuhängen. Vor dem Hotel Europa parken silberfarbene Mittelklassewagen. | |
Der Schweizer Wintersportort, in dem gerade die Wirtschaftsgrößen der Welt | |
tagten, wirkt nicht gerade entschleunigt. Wir fahren mit der Standseilbahn | |
300 Meter hoch zur Schatzalp. "Schatzalp Snow and Mountain Resort - Slow | |
Mountain" nennt sich das ehemalig Luxussanatorium, das um die | |
Jahrhundertwende erbaut wurde. Ein gut erhaltenes Belle-Époque-Ensemble. | |
Sonnenbestrahlt. Zeitversetzt. | |
Eine schlichte Eingangstür, Jugendstillampen, große Fenster, schwarz-weiße | |
Marmorfliesen im weißen Speisesaal. Im Kaminzimmer vor der bordeauxroten | |
Raucher-Bar tanzt gerade Tango-Tours. Der tapezierte Aufzug bringt Gepäck | |
und Besucher in die geräumigen Zimmer mit Charme und feuchten Bädern. | |
Wenn man das alte Radio im fernsehfreien Zimmer anschaltet, sich zu warmen | |
Klängen unter die Kamelhaardecken auf der Sonnenterrasse in voller | |
Südausrichtung legt, ist man angekommen. Liegekur. Wie einst hustende | |
Großindustrielle und schwindsüchtige Adlige, deren kränkelnde Welt Thomas | |
Mann im "Zauberberg" - der hier in Davos spielt - beschrieb. Die Luft ist | |
auf 1.850 Meter so rein wie damals, als Lungenkranke nach den Methoden des | |
deutschen Mediziners und Mitbegründers des Kurorts, des steckbrieflich | |
gesuchten Sozialisten Alexander Sprengel behandelt wurden, um die | |
Tuberkulose mithilfe des Reizklimas zu vertreiben. | |
"Solche alten Häuser haben eine Seele", sagt Hoteldirektor Martin Nowak. | |
"Ich entdecke immer wieder neue Details. Das ist faszinierend." Auch heute | |
kämen Gäste, die abschalten wollen und die Natur lieben. Entschleunigung, | |
das ist für Nowak die "dezente Ruhe im Hotel und das Skigebiet". Dieses war | |
sieben Jahre geschlossen und ist nun die zweite Saison offen. | |
Ein Sessellift gleich beim Hotel führt nach oben, dann geht es weiter mit | |
einem Bügelschlepplift. Das Skigebiet, früher der Davoser Anfängerhang, wie | |
der freundliche Herr am Lift zwinkernd ob unser Unsicherheit versichert, | |
war nicht mehr konkurrenzfähig. Jakobshorn und Parsenn boten bessere | |
Schneeverhältnisse, mehr Pistenkilometer. Auch die Verbindungsgondel des | |
Schatzalp/Strela-Areals zum Weißfluhjoch wurde im Jahr 2002 stillgelegt. | |
Doch nun kann man wieder in der Hütte oben am Strelapass Heusuppe essen und | |
dann in langen Schwüngen eine blaue Piste hinabfahren, die ohne künstliche | |
Beschneiung und technische Hochrüstung beste Verhältnisse bietet. | |
Entspanntes Hinabgleiten von 2.350 Meter unter verschneiten Gipfeln, die | |
man so bestaunen und wahrnehmen kann, da kein anderer Skifahrer, kein | |
Snowborder den Gleitenden verscheuchen muss. Skifahren mit Raum und immer | |
auf der Sonnenseite. | |
Weiter unten wird die nun rote Piste steiler. Dort treffen wir Karo | |
Steinberg. Die Bewegungstherapeutin bietet therapeutisches Skifahren an. | |
"Die Schatzalp ist ideal dafür", sagt sie. "Ich arbeite mit Menschen, die | |
Angst haben, psychische Probleme, Burn-out. Die Leute suchen nach | |
Skikursen, wo Körperwahrnehmung im Vordergrund steht." Ihr Traum: Mit ihrer | |
Kollegin Jenny Staiger dieses ganzheitliche Skifahren als festen | |
Programmpunkt auf dem Slow Mountain anzubieten. "Die Gäste dort sind | |
offen", sagt sie. "Meistens wird Skifahren ja nur unter dem Aspekt Leistung | |
betrachtet." | |
Im Panoramarestaurant mit weitem Blick ins Tal erzählt Pius App, seit | |
sieben Jahren Mitbesitzer der Schatzalp, wie "Dornrößchen wachgeküsst" | |
wurde: "Wir mussten das Skigebiet nur wieder in Betrieb nehmen und | |
sicherheitsmäßig auf den neusten Stand bringen. Die Schatzalp lebt jetzt | |
wieder, doch sie braucht viel Zuwendung." Mit rund 93 Zimmern und den | |
heutigen Lohnstrukturen lasse sich ein Hotel dieser Klasse nicht mehr | |
betreiben. | |
Deshalb wird die Querfinanzierung durch Erweiterung geplant. "Wir haben uns | |
in einem Vertrag mit der Gemeinde verpflichtet, dass das Hotel renoviert | |
wird, die Schatzalp autofrei und öffentlich zugänglich bleibt. Wenn wir | |
bauen, dürfen wir nur auf 1.000 Quadratmetern ein Gebäude, das so groß ist | |
wie das Bestehende, hinstellen", erzählt App. Die Architekten Herzog & de | |
Meuron haben einen Turm an der Stelle der heutigen Bergstation | |
vorgeschlagen. "Der Turm geht sparsam mit dem Boden um, lässt die | |
Landschaft unberührt und erspart lange Erschließungswege", lobt App den | |
Architektenentwurf, der dazu beitragen soll, dass sich die Schatzalp | |
rechnet. Und sich Projekte wie der botanische Garten finanzieren lassen. | |
Oberhalb des Starts der 3,5 Kilometer langen Schlittenbahn von der | |
Schatzalp ins Tal steht die Villa des Gärtnermeisters Klaus Oetjen. "Mir | |
wäre es lieber, das Skigebiet wäre geschlossen geblieben", sagt er leicht | |
gereizt. Trotz verschneiter Landschaft lässt er sein blühendes Alpinum | |
lebendig werden: mit "floristischen Juwelen aus den verschiedensten | |
Gebirgen der Erde". Er schwärmt von der Rosenpromenade oberhalb des Hotels, | |
von den Blüten des Hochzeitsgartens und von Plänen für die Neubepflanzung | |
von Hängen. "Kommen Sie im Sommer wieder, sagt er zum Abschied. "Dann ist | |
es ohnehin am schönsten hier. | |
2 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
## TAGS | |
Reiseland Schweiz | |
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