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# taz.de -- Rechte für Patienten: Offene Tür für psychisch Kranke
> Berlin hat eine neue Beschwerdestelle für psychisch Kranke. Der Bedarf
> ist da: Täglich werden tausende behandelt. Gerade Zwangsmaßnahmen
> provozieren Konflikte.
Die psychisch Kranke fühlt sich völlig ausgeliefert. In einem sogenannten
Überwachungszimmer haben sie die Mitarbeiter der Psychiatrie ans Bett
gebunden. Eine Zwangsmaßnahme, die manchmal notwendig ist, damit Patienten
nicht sich selbst oder andere gefährden. Was die Situation noch verschärft:
Es sitzt kein Klinikbeschäftigter neben ihr. Stattdessen wird der Raum per
Kamera überwacht. Für Menschen, die unter Ängsten leiden und sich
möglicherweise sogar verfolgt fühlen, eine zusätzliche Belastung.
So schildert eine Frau ihre Erlebnisse in einem anonymen Brief an die neue
Beschwerde- und Informationsstelle Psychiatrie Berlin (bip). Mitte Dezember
haben die vier Mitarbeiter in der Schöneberger Grunewaldstraße die Beratung
aufgenommen. Am Mittwoch wurde die Anlaufstelle nun auch offiziell
eingeweiht. Träger ist die Arbeitsgemeinschaft "Gesundheit
Berlin-Brandenburg". Die Gesundheitsverwaltung fördert das Projekt mit
140.000 Euro pro Jahr.
Die Anlaufstelle richtet sich an Patienten, aber auch an Angehörige und an
Beschäftigte im Psychiatriebereich. 35 Beschwerden seien in den letzten
Wochen bereits eingegangen, berichtete Mitarbeiterin Caroline von Taysen.
Sie und ihre Kollegen haben verschiedene Möglichkeiten, darauf zu
reagieren: Sie können die Vorwürfe dokumentieren, Ende des Jahres sollen
die gesammelten Beschwerden veröffentlicht werden. Oft versuchten sie aber
auch, die Probleme in einem Gespräch mit den betroffenen Einrichtungen zu
klären, sagte von Taysen. "Die Fronten sind häufig verhärtet. Unser Ziel
ist es, integrierend zu wirken."
Der Bedarf für eine Beschwerdestelle ist da: Studien zufolge litten 25
Prozent der deutschen Bevölkerung an einer psychischen Störung mit
Krankheitswert, sagte der Landesbeauftragte für Psychiatrie, Heinrich
Beuscher. Auf Berlin übertragen sind das 860.000. 7 bis 10 Prozent der
Menschen hätten Depressionen, auch Suchterkrankungen seien häufig, so
Beuscher. In Berlin gebe es täglich mehrere tausend psychisch Kranke, die
Betreuung oder Behandlung benötigten. "Es ist es völlig klar, dass es bei
dieser Menge an Hilfebedürftigen und Behandelnden zu Konflikten kommt."
Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) sagte, mit der
Beschwerdestelle solle die Selbstbestimmtheit von Patienten gestärkt
werden. Das sei gerade auf einem sensiblen Feld wie der psychiatrischen
Versorgung wichtig, da hier - etwa bei Zwangseinweisungen - Grundrechte
berührt würden. Vertreter der Irren-Offensive, die vor der Beschwerdestelle
demonstrierten, sind skeptisch: Sie glauben, dass der Senat nur versucht,
"die Verbrechen der Psychiatrie durch eine Beschwichtigungsstelle zu
vertuschen".
Es gibt bereits Beschwerdestellen in mehreren Bezirken. Die seien aber bei
den Gesundheitsämtern angesiedelt und damit weniger unabhängig, sagte
Beuscher. In den Kliniken können sich Betroffene zudem an sogenannte
Patientenfürsprecher wenden. Die neue Beschwerdestelle soll sich daher
vorrangig um Konflikte in der ambulanten Versorgung kümmern.
Im Fall der mit Kameras überwachten Patientin wollen sich sowohl die
Mitarbeiter der Beratungsstelle als auch der Landesbeauftragte für
Psychiatrie mit der betroffenen Klinik in Verbindung setzen. Er werde zudem
prüfen lassen, ob es sich um einen Rechtsverstoß handele, sagte Beuscher.
"Sollte das so sein, könnten wir auch über den Amtsarzt und die
Ordnungsbehörde auf den Träger einwirken." Meist ließen sich die Konflikte
aber bereits im Gespräch lösen.
2 Feb 2011
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
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