# taz.de -- AS Rom vor Verkauf an US-Firma: Die Achse Rom-Liverpool-Boston | |
> Der AS Rom steht vor dem Verkauf an ein US-amerikanisches Sportkonsortium | |
> – und der italienische Profifußball womöglich vor einem grundsätzlichen | |
> Wertewandel. | |
Bild: Rosella Sensi, Präsidentin des AS Rom. | |
Die Besitzer der Red Sox aus Boston und der Reds aus Liverpool wollen nun | |
auch die Giallorossi aus Rom erwerben. New England Sports Ventures, das | |
Mutterunternehmen des Baseballklubs aus den USA, des Premier-League-Vereins | |
von der Mersey sowie Teilhaberin des Nascar-Rennteams Roush Fenway Racing | |
und des TV-Senders New England Sports Network, hat die nach italienischen | |
Medienberichten favorisierte Kaufofferte für den AS Rom abgegeben. | |
Der Deal soll in den nächsten zehn Tagen über die Bühne gehen. Er würde | |
nicht nur ein Epochenwechsel im italienischen Fußball einleiten, sondern | |
auch den amerikanischen Einfluss auf den Fußball erheblich verstärken. | |
Der Zwangsvollstrecker geht stets nur gegenüber den kleinen Schuldnern | |
unbarmherzig vor. Geht es um ein paar Millionen, lassen die Gläubiger oft | |
Gnade walten. Einige Jahre lang ließ die italienische Großbank Unicredit | |
die bei ihnen inzwischen mit ungefähr 300 Millionen Euro in der Kreide | |
stehende Familie Sensi mit dem AS Rom gewähren. | |
Kaufversuche von Erdölprinzen ins Leere manövriert | |
Zaghafte Kaufversuche von russischen Erdölprinzen und amerikanischen | |
Börsentycoons wurden von der Eignerfamilie souverän ins Leere manövriert. | |
Das Motiv ist klar: Verlieren die Sensi die Roma, spielen sie | |
gesellschaftlich und ökonomisch nur noch eine untergeordnete Rolle. | |
Nun aber deutet sich ein Wechsel an. Unicredit bestätigte, dass in einer | |
von der Bank veranlassten offenen Ausschreibung fünf Kaufangebote für den | |
AS Rom eingegangen seien. "Wir werden in den nächsten Tagen hart am Verkauf | |
der Roma arbeiten", erklärte Unicredit-Vorstand Federico Ghizzoni. Aus den | |
fünf Offerten – einer französischen, einer italienischen, einer | |
luxemburgischen, einer aus Abu Dhabi und der amerikanischen – | |
kristallisiert sich Letztere als Favorit heraus. Der zum Kreis der | |
Mitbewerber gehörige römische Klinikkönig Giampaoli Angelucci gratulierte | |
jedenfalls bereits NESV als "neuem Besitzer" und wünschte dem Klub selbst | |
"viel Glück für die Zukunft". | |
Neues Stadion und neue Nachwuchsakademie versprochen | |
Thomas DiBenedetti, Verhandlungsführer der Amerikaner, stellte der Roma ein | |
neues Vermarktungskonzept, ein neues Stadion und eine Nachwuchsakademie wie | |
die La Masia des FC Barcelona in Aussicht. Als Chef dieser Schule wird | |
Zdenek Zeman gehandelt. Die sportliche und administrative Führung der neuen | |
Roma sollen laut Gazzetta dello Sport alte Bekannte wie Franco Baldini, | |
derzeit Fabio Capellos Sportdirektor im englischen Fußballverband, und | |
Ex-Milan-Coach Carlo Ancelotti mitbringen. Der aktuelle Roma-Trainer | |
Ranieri soll laut englischen Medienspekulationen hingegen Liverpool | |
übernehmen. Dies wäre pikant: Liverpool gehört seit Oktober schließlich den | |
zukünftigen Roma-Besitzern. | |
Kommt der Verkauf tatsächlich zustande, eröffnet sich eine geschäftliche | |
Achse zwischen Liverpool, Rom und Boston. NESV versuchte bereits, ein | |
Premier-League-Spiel nach Übersee zu transferieren, und plant | |
US-Medienberichten zufolge im Gegenzug auch ein Rennen der Nascar Sprint | |
Series im Stadion an der Anfield Road in Liverpool. | |
Italien hofft auf bessere Stadien | |
In Italien stößt der Einstieg der Amerikaner auf gemischte Reaktionen. | |
Römische Fans freuen sich auf neues Geld für neue Stars. Besitzer anderer | |
Klubs erhoffen sich einen Impuls für den Stadienneubau und damit die | |
Erschließung neuer Geldquellen. Bisher sind die Stadien meist in kommunalem | |
Besitz und bieten außer steinernen Rampen und monströsen Metalltoren wenig | |
Spektakelwert. | |
Skeptisch äußerte sich hingegen Palermos Präsident Maurizio Zamparini: "Ich | |
hätte einen römischen Unternehmer an der Spitze der Roma bevorzugt. Ehrlich | |
gesagt traue ich Geldern aus dem Ausland wenig. Wir italienische | |
Präsidenten sind die Letzten, die noch Geld in den Fußball stecken. In | |
unserem Fußball macht man kein Geld, sondern man gibt es für den Fußball | |
aus." Der knorrige Baulöwe spürt bereits, dass mit dem Roma-Deal das Ende | |
der mehr mit heißem Tifoso-Gemüt statt mit ökonomischem Sachverstand | |
operierenden Fußballpatrone in Sicht gerät. Fußballitalien steht vor einem | |
Umbruch. | |
9 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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