# taz.de -- Interview mit Wassertisch-Sprecher Rudek: "Das ist keine Verschwör… | |
> Am Sonntag stimmen die Berliner über die Offenlegung der Wasserverträge | |
> ab. Hat der Senat die nicht schon offengelegt? Thomas Rudek, Sprecher der | |
> Initiative Wassertisch, sieht das anders. | |
Bild: Thomas Rudek bei der Übergabe der für das Volksbegehren gesammelten Unt… | |
taz: Herr Rudek, seit drei Monaten sind die Wasserverträge nicht mehr | |
geheim, sondern öffentlich. Ist es da nicht völlig überflüssig, am Sonntag | |
zur Abstimmung über die Veröffentlichung zu gehen? | |
Thomas Rudek: Wir fordern nicht nur die Veröffentlichung der Verträge zur | |
Wasserprivatisierung, sondern auch von Beschlüssen und Nebenabreden. Wir | |
alle wissen: Auf das Kleingedruckte kommt es an. Um auch das offenzulegen, | |
brauchen wir die 617.000 Ja-Stimmen beim Volksentscheid. | |
Sowohl der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit als auch der | |
Wirtschaftssenator Harald Wolf haben öffentlich beteuert, dass alles | |
veröffentlicht ist, was Ihr Gesetzentwurf fordert. Es ist doch abwegig | |
anzunehmen, dass die beiden trotzdem etwas verschweigen. | |
In unserem Gesetzentwurf steht, dass die Verträge, Beschlüsse und | |
Nebenabreden, die nicht veröffentlicht werden, unwirksam werden. Ich finde | |
es sehr interessant, dass sowohl Herr Wowereit als auch Herr Wolf sich an | |
dieser Unwirksamkeitsklausel stören, weil sie angeblich verfassungswidrig | |
sei. Wenn alles offengelegt ist, wie behauptet, würde ja die Klausel gar | |
nicht zur Anwendung kommen. Das ist für uns ein klarer Beweis dafür, dass | |
noch nicht alles offengelegt ist. | |
Dann müssten die Finanz- und Wirtschaftssenatoren der vergangenen zehn | |
Jahre, zwei Regierende Bürgermeister und eine Reihe von Mitarbeitern in der | |
öffentlichen Verwaltung, bei RWE und Veolia verabredet haben, die | |
Öffentlichkeit dauerhaft belügen. Das ist doch völlig abwegig. | |
Es geht um die Frage: Welche Gesetze bieten eine höhere Rechtssicherheit | |
und auch eine Bestrafung, wenn das Gesetz gebrochen wird? Bisher wurden die | |
Wasserverträge vom Senat nur auf Grundlage des | |
Informationsfreiheitsgesetzes veröffentlicht. Doch laut diesem Gesetz | |
bleibt es ohne Folgen, wenn Dokumente nur unvollständig veröffentlicht | |
werden. Unser Gesetz hat eine Sanktion: Die geheimen Teile werden | |
unwirksam. Das hat nichts mit einer Verschwörungstheorie zu tun. | |
Was für Vereinbarungen werden denn Ihrer Ansicht nach geheim gehalten? | |
Harald Wolf zum Beispiel hat Rechtsgutachten über die Wasserprivatisierung | |
in Auftrag gegeben bei Kanzleien, die keine Experten auf dem Gebiet sind. | |
Die haben dann auch keine verbraucherfreundliche Position vertreten. Da | |
drängt sich die Vermutung auf, dass es eine Absprache mit RWE und Veolia | |
gab, dass man die Gutachter gemeinsam auswählt. | |
Es stimmt, die Auswahl der Gutachter kann man seltsam finden. Aber die | |
Vermutung ist absurd, dass es darüber eine bindende Vereinbarung gab. | |
Harald Wolf hat ja auch von sich aus ein Interesse daran, die Gutachter zu | |
wählen, die seine Position stützen und zu dem Ergebnis kommen, dass die | |
Privatisierung der Wasserbetriebe rechtsgültig war. Dafür braucht es keinen | |
Geheimvertrag. | |
Das unterstellen Sie, dass Harald Wolf dieses Interesse hat! Das ist Ihre | |
persönliche Bewertung. Ich sehe nur, dass Harald Wolf damals sehr | |
unkritische Juristen beauftragt hat, und das soll er aus eigener | |
Überzeugung heraus gemacht haben? Das glaube ich nicht! Er ist da | |
sicherlich in Zugzwängen gewesen, als er auf diese neoliberalen Gutachter | |
zurückgegriffen hat. | |
Sie bleiben also bei Ihrer Verschwörungstheorie: Mehrere Personen haben | |
eine Vereinbarung getroffen, von der sie jetzt öffentlich behaupten, es | |
gebe sie nicht. | |
Das ist keine Verschwörungstheorie. Es gibt Fakten, die auf der Hand liegen | |
wie die Gutachter-Entscheidung. Und wenn der Senat gegen ein Gesetz ist, | |
das für den Fall einer Geheimhaltung klare Rechtsfolgen hat, ist das doch | |
ein klares Indiz, dass da noch etwas schlummert. | |
Auf der Webseite Ihrer Initiative heißt es, der Senat halte die | |
Vereinbarung darüber geheim, wie die Gewinne zwischen dem Land und den | |
privaten Anteilseignern der Wasserbetriebe genau verteilt werden. Das ist | |
falsch - es steht in Paragraf 23 Absatz 7 des Konsortialvertrages, und der | |
ist seit Monaten vollständig öffentlich. | |
Oh. Das stimmt. Das hatte ich noch gar nicht gesehen, dass das auf unserer | |
Seite steht. Ich zeichne nicht alles gegen, was da hinkommt. Wir sind | |
inzwischen ein größeres Netzwerk mit vielen ehrenamtlichen Helfern, und da | |
können leider auch Fehler vorkommen. | |
Der Senat und die Abgeordneten sagen, sie könnten die Unwirksamkeitsklausel | |
nicht Gesetz werden lassen, weil sie verfassungswidrig ist. Und tatsächlich | |
spricht viel dafür, dass man Verträge nicht rückwirkend per Gesetz | |
unwirksam machen kann. | |
Es gibt Juristen, die das nicht so sehen. Vor allem ist es nicht die | |
Aufgabe des Senats und des Abgeordnetenhauses, darüber zu urteilen, was | |
verfassungswidrig ist. Dafür ist der Verfassungsgerichtshof zuständig. Wir | |
haben Gewaltenteilung! Schlimmstenfalls ist zu erwarten, dass das Gericht | |
die Unwirksamkeitsklausel - und nur die - aufhebt. | |
Da möchte ich widersprechen: Natürlich ist es auch Aufgabe des Senats und | |
der Abgeordneten, Gesetze selbst zu überprüfen und nichts zu beschließen, | |
was verfassungswidrig ist. Es kann ja nicht sein, dass die erst immer in | |
Kraft treten und man dann darauf warten muss, bis ein Verfassungsgericht | |
urteilt. | |
Wie viele Gesetze hat denn das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, die | |
anschließend von einem Verfassungsgericht kassiert worden sind? Sehr viele. | |
Das jüngste Beispiel war, glaube ich, das Ladenschlussgesetz, das zu viele | |
verkaufsoffene Adventssonntage erlaubte und damit gegen die | |
Religionsfreiheit verstieß. | |
Ich sage ja, die Abgeordneten sollten die Gesetze viel häufiger vorher | |
besser prüfen. | |
Dazu haben die Berliner Abgeordneten gar nicht die Kapazitäten, das ist ja | |
ein Feierabendparlament. Jedenfalls fällt mir auf, dass sie ausgerechnet | |
bei unserem Gesetz alle sagen, dass das Paket verfassungswidrig ist. Sie | |
diffamieren das gesamte Projekt. Uns ist klar, dass wir durchaus offene | |
Rechtsfragen berühren. Aber die sind bisher noch nicht höchstrichterlich | |
geklärt, und diesem Urteil sollte man auch nicht vorgreifen. | |
Was machen Sie selbst eigentlich nach dem Sonntag? | |
Urlaub. Zwei Wochen brauche ich mindestens. Und danach schreibe ich | |
vielleicht ein Buch über meine Erfahrungen mit der direkten Demokratie. | |
10 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
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