# taz.de -- Interview mit Parteienforscher Gero Neugebauer: "Misstrauen stand i… | |
> Parteien mit transparenten Entscheidungen können Wähler gewinnen, sagt | |
> der Politologe Gero Neugebauer nach dem erfolgreichen | |
> Wasser-Volksentscheid. | |
taz: Herr Neugebauer, hat Sie das Ergebnis des Volksentscheids Wasser am | |
Sonntag überrascht? | |
Gero Neugebauer: Ja, es hat mich überrascht. Nicht weil ich nicht an den | |
Sinn des Volksbegehrens geglaubt hätte. Aber nach den ersten Meldungen über | |
die Wahlbeteiligung hatte ich meine Zweifel. | |
Überrascht konnte man auch sein, weil die Forderung des Volksentscheids - | |
die Veröffentlichung der Verträge über die Teilprivatisierung der | |
Wasserbetriebe - laut Senat erfüllt war. | |
Es gab am Freitag die Meldung, dass sich der Senat geweigert habe, Verträge | |
offenzulegen, die zwischen den Anteilseignern geschlossen wurden. Damit war | |
klar, dass die Vorlage des Senats nicht ausreichen würde, um die nötige | |
Transparenz zu erreichen. Das traf auf einen fruchtbaren Boden, zumal es | |
schon seit einiger Zeit bei Entscheidungen, die die Bürger betreffen, Black | |
Boxes gegeben hat. Also Entscheidungsbereiche, die nicht durchsichtig | |
gewesen sind. Zu guter Letzt hat die Schlichtung von Stuttgart 21 gezeigt, | |
dass es nicht reicht, einen Schlichter hinzusetzen, sondern dass man Contra | |
geben muss. | |
Was stand bei den Wählerinnen und Wählern im Vordergrund? Das Misstrauen, | |
dass Sie gerade beschrieben haben? Oder der Wunsch nach einer | |
Rekommunalisierung der Berliner Wasserversorgung? | |
In diesem Fall stand für mich - ich habe keinen Garten - eher das | |
Misstrauen im Vordergrund. | |
Aber Rot-Rot wertet das Ergebnis als Rückendeckung für seine Politik … | |
… können sie etwas anderes tun, ohne sich die Niederlage eingestehen zu | |
müssen? | |
Wird das Ergebnis vom Sonntag künftige Volksbegehren erleichtern? | |
Schwer zu sagen. Die Schwierigkeit beim Volksentscheid Wasser war, dass da, | |
anders als bei Tempelhof und Pro Reli, nicht die bürgerlichen Wähler nach | |
ihren sonstigen Orientierungen mobilisiert wurden. Es hat trotzdem | |
gereicht. Generell muss man wohl sagen, dass Initiativen, die wie bei den | |
Flugrouten nur sagen "Not in my backyard" weniger Chancen haben. | |
Das Volksbegehren zur Hortfinanzierung hat nichts mit diesem Denken zu tun. | |
Wenn die Bürger den Eindruck haben, dass ihre Interessen massiv beschnitten | |
werden und sie durch Druck etwas positiv verändern können, gibt es eine | |
reelle Chance. | |
Welche Ergebnisse ergeben sich daraus für die Politik? Müssen | |
Entscheidungen künftig per se transparenter werden? | |
Die Bürgerbeteiligung gibt es ja schon seit den 70er Jahren. Was wir dabei | |
erlebt haben, war oft, dass die Verwaltung dafür qualifiziert war, die | |
Einsprüche der Bürger abzuwiegeln, anstatt sie ernst zu nehmen. Heute ist | |
es so, dass die Bürger einer Partei die Stimme verweigern können, die sagt, | |
dass sich da nichts bewegen muss. Auf der anderen Seite können Parteien | |
gewinnen, die damit werben, ihre Entscheidungsprozesse zu öffnen - bis hin | |
zu öffentlichen Auswahlverfahren in den Parteien im Sinne von Primaries. | |
Wird sich nach dem Sonntag die Diskussion um die Abschaffung des | |
Teilnehmerquorums erledigt haben? | |
Nein, es wird immer Leute mit Ressourcen wie Zeit und Geld geben, die | |
sagen: Da stört mich was, und deshalb mach ich jetzt mal einen | |
Volksentscheid. | |
Das Quorum macht also Sinn? | |
Ja. | |
15 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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