# taz.de -- Rechte Gewalt: Nazi-Schläger vor Gericht | |
> Vier Rechte verprügeln einen 23-Jährigen. Heute beginnt der Prozess gegen | |
> die beiden Haupttäter. Einer ist in der Kameradschaftsszene aktiv. | |
Bild: Schlagen gern mal zu: Rechtsextreme. | |
Die Tat war brutal: Vier Neonazis schlagen im Juni 2010 einen 23-Jährigen | |
in einer Straßenbahn in Oberschöneweide zusammen - das Opfer bleibt am Ende | |
bewusstlos und schwer verletzt zurück. Am heutigen Mittwoch stehen die | |
ersten beiden mutmaßlichen Täter vor Gericht. Zumindest einer von ihnen ist | |
kein Unbekannter: Denis S., seit Jahren als Kameradschaftsaktivist in | |
Berlin aktiv. | |
Es war der frühe Sonntagmorgen des 27. Juni 2010, 4.30 Uhr. An einer | |
Tramhaltestelle in der Wilhelminenhofstraße in Oberschöneweide beschimpfen | |
vier Neonazis, darunter die beiden Beschuldigten, zwei Männer und eine | |
Frau. "Grundlos", heißt es in der Anklage. Dann prügeln sie auf einen der | |
drei los: Durch "gezielte Schläge" erleidet der 23-Jährige schwere | |
Kopfverletzungen, protokolliert die Polizei nach der Tat. Doch die Rechten | |
haben noch nicht genug: In ihrem Auto verfolgen sie den in der Tram | |
befindlichen Verletzten weiter bis nach Hohenschönhausen - und greifen ihn | |
erneut an. Hier soll es vor allem Denis S. gewesen sein, der den | |
23-Jährigen "abermals mit brachialer Gewalt gegen Körper und Kopf | |
attackierte". Das Opfer bricht zusammen und verliert alle Erinnerung an den | |
Vorfall. | |
Ein politisches Motiv nennt die Anklage nicht. Die Polizei rechnet aber | |
alle vier Verdächtigen der rechten Szene zu. Als Beamte die 23- bis | |
30-Jährigen im Oktober verhaften, finden sie in ihren Wohnungen in | |
Marzahn-Hellersdorf und Pankow auch indizierte rechtsextreme CDs. | |
Die beiden mutmaßlichen Haupttäter müssen sich nun wegen gefährlicher | |
Körperverletzung vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten: neben Denis | |
S. (28) auch Josef I. (30). Das Verfahren gegen die anderen Verdächtigen | |
wurde abgetrennt, da ihre Tatbeiträge unklar sind. S. ist seit Jahren als | |
Kader der Berliner "Freien Kräfte" unterwegs, er soll sich als | |
"Anti-Antifa-Fotograf" betätigen. In seiner Wohnung fand die Polizei | |
Metallbuttons mit Hakenkreuzen und SS-Totenköpfen. | |
Die rechte Szene schmäht den Marzahner inzwischen, weil dieser bei seinem | |
Geständnis auch "Kameraden" belastet haben soll. In einem Schreiben, das in | |
der Szene kursiert, heißt es: Denis S. - "nicht erst seit kurzem im | |
Widerstand aktiv" - gehöre als Denunziant "aus allen Strukturen | |
ausgeschlossen". Im Internet wird auch zu gewalttätiger Vergeltung | |
aufgerufen. | |
Für Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus zeigt | |
der Vorfall, wie eng sich rechtsextreme Weltbilder mit Gewalt verbinden. | |
Müller verweist auch auf die in Tatortnähe befindliche rechte Kneipe "Zum | |
Henker". "Das Umfeld dieses Szeneanlaufpunkts leidet immer wieder unter | |
Propaganda-Aktionen und Sachschäden." Mehrmals sei das benachbarte Zentrum | |
für Demokratie beschädigt und mit rechten Parolen beschmiert worden. Am | |
vergangenen Samstag traf es erneut das Büro des Linkspartei-Politikers | |
Gregor Gysi. | |
Auch die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann betont die "latente | |
Gewaltbereitschaft" im Kameradschaftsmilieu. "Um gewalttätigen Neonazis den | |
Nährboden zu entziehen, muss der Staat alle Mittel ausschöpfen." | |
Der Berliner Kameradschaftsszene wird eine Reihe von Anschlägen auf linke | |
Cafés, Läden und Parteibüros zugerechnet. Der Verfassungsschutz zählt in | |
Berlin rund 200 Kameradschaftler aus dem Feld der "Freien Kräfte", dazu | |
kommen 120 lose organisierte "Autonome Nationalisten". Gerade Letztere | |
seien "überwiegend gewaltbereit", so die Behörde. Sie zielten mit dem | |
"Ausspähen, Provozieren und Bedrohen politischer Gegner" bewusst auf eine | |
Machtausübung im öffentlichen Raum. | |
15 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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