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# taz.de -- Gewalt im U-Bahnhof Lichtenberg: Unbekannter verhinderte Eskalation
> Polizei sucht nach dem Überfall auf zwei Handwerker im U-Bahnhof
> Lichtenberg nach einem Mann, der Hilfe leistete. Die vier jugendlichen
> Täter sitzen in U-Haft. Opfer liegt weiter im Koma.
Bild: Ein Täter links, ein Täter rechts, das Opfer mit der blauen Jacke in de…
Auf dem Bahnsteig im U-Bahnhof Lichtenberg brennt eine Kerze. Daneben lehnt
an einem Pfeiler eine rote Rose. Sie erinnern an den Angriff, bei dem am
Freitag vier Jugendliche zwei 30-jährige Handwerker angegriffen und
verletzt haben. Einen von ihnen so schwer, dass er im Koma liegt.
Die Täter sind am Dienstag festgenommen worden, eine Überwachungskamera der
BVG hatte sie im Bild festgehalten. Der Film wurde von der Polizei für die
Fahndung ins Internet gestellt, er ist inzwischen auf vielen Seiten
abrufbar. Ein junger Mann, der am Donnerstagmittag aus der U-Bahn Richtung
Hönow steigt, erklärt seinem Arbeitskollegen detailliert, wie der Überfall
abgelaufen ist.
Das BVG-Video zeigt auch, dass mehrere Menschen auf dem Bahnsteig standen.
Dass sich keiner eingemischt hat, versteht der junge Mann nicht. "Das ist
unfassbar. Ich hätte sofort eingegriffen", sagt er. Sein Arbeitskollege
kann die Angst der Augenzeugen nachvollziehen: "Ich hätte die Polizei
gerufen. Bevor ich selbst angegriffen werde, halte ich mich lieber raus."
Auch zwei Tage nach der Festnahme der drei 17-Jährigen und eines
14-Jährigen ist der Überfall noch nicht aufgeklärt. Möglich scheint, dass
er noch viel schlimmer hätte ausgehen können. Die Polizei sucht
händeringend nach weiteren Zeugen. Insbesondere nach einem Mann, der eines
der beiden Opfer offenbar vor weiteren Übergriffen bewahrte. Laut Martin
Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, hat der besagte Zeuge im
Vorbeifahren von seinem Auto aus beobachtet, wie einer der beiden
Handwerker aus dem Bahnhof geflüchtet sei und dabei von den Jugendlichen
verfolgt wurde. Der Mann habe daraufhin eingegriffen und die Schläger mit
"einer klaren Ansage" verjagt, so Steltner. "Der Mann muss eine imposante
Figur sein."
Der andere Handwerker hatte nicht so viel Glück. Er wurde auf dem U-Bahnhof
gegen 23.50 Uhr von den vier Jugendlichen scheinbar grundlos verprügelt.
Selbst als er am Boden lag, trat einer der vier Täter noch auf ihn ein.
Dann klaute er ihm das Handy. Anschließend verfolgten die Jugendlichen, die
aus Kenia, Albanien, dem Kosovo und Irak stammen, den anderen Handwerker.
Inzwischen sitzen die vier Täter in Untersuchungshaft, gegen sie wird wegen
schwerer Körperverletzung und versuchten Raubmords ermittelt.
Der Gesundheitszustand des Mannes, der am Bahnhof bewusstlos geschlagen
wurde, ist weiter kritisch, so Steltner. Er erlitt eine Gehirnblutung und
liegt immer noch im Koma. Sein Kollege wurde schwer verletzt.
Petra Reetz, Sprecherin der BVG, zeigte sich "bestürzt" über den Vorfall -
und darüber, dass offenbar keiner der Anwesenden eingeschritten sei. Jeder
Bahnhof verfüge über zwei Notrufsäulen. Damit könne man, selbst wenn man
kein Handy dabei habe, Hilfe holen, so Reetz. Sie bezweifelt, dass der
Überfall mit Sicherheitspersonal auf dem Bahnsteig hätte verhindert werden
können. "Das Video zeigt: Das ging sehr, sehr schnell", so Reetz. Insgesamt
seien täglich rund 600 Mitarbeiter der BVG auf den Bahnsteigen unterwegs,
darunter Sicherheitspersonal. Reetz betonte, dass der Bahnhof Lichtenberg
nicht als gefährliche Ecke gelte.
Die jugendlichen Täter wurden überführt, weil einer der vier von einem
Polizeibeamten einer Präventionsdienststelle erkannt wurde. Der 17-Jährige
hatte vor einiger Zeit in der Lichtenberger "Schule am Rathaus" an einem
Seminar für Gewaltprävention teilgenommen.
Auf dem Schulhof ist die Stimmung am Donnerstag angespannt. Die Schüler
wurden von den Lehrern aufgefordert, nicht mit der Presse zu sprechen.
Sonst habe es nach Aussage eines Achtklässlers keine Aufklärung gegeben.
"Wir wissen gar nicht, was und warum es passiert ist. Wir wissen nur, dass
wir nicht mit der Zeitung reden dürfen." Einige Schüler reagieren aggressiv
auf die Presse. Ein Schüler ist wütend, dass seine Schule "in den Dreck
gezogen wird". Eigentlich ginge es hier sehr friedlich zu. "Jetzt denken
alle, wir wären brutal", sagt der Siebtklässler.
Unterdessen versuchen Neonazis den Lichtenberg-Überfall für sich zu nutzen.
Die NPD will mit einer Mahnwache am heutigen Freitagabend am U-Bahnhof
Lichtenberg gegen "kriminelle Ausländer" protestieren. Bereits am
Mittwochabend waren 30 schwarz gekleidete Neonazis mit Leuchtfeuern durch
die Lichtenberger Weitlingstraße gezogen. "Kriminelle Ausländer raus",
forderte hier ein Transparent.
17 Feb 2011
## AUTOREN
C. Icpinar
K. Litschko
J. Trebing
A. Wierth
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