# taz.de -- Strafvollzug in NRW: HIV-Zwangsouting infrage gestellt | |
> In NRW droht Häftlingen in Gefängnissen die Isolation, wenn sie ihre | |
> HIV-Infektion nicht öffentlich machen. Der SPD-Justizminister Kutschaty | |
> überlegt jetzt, dies zu beenden. | |
Bild: Hat jahrelang gegen das Zwangsouting gekämpft: Die Hilfsorganisation fü… | |
BOCHUM taz | Das Zwangsouting von HIV-infizierten Gefangenen in | |
nordrhein-westfälischen Gefängnissen könnte bald ein Ende haben. Auf Antrag | |
der FDP berät der Düsseldorfer Landtag am Mittwoch über eine Abschaffung | |
einer aus den achtziger Jahren stammenden Anweisung des Justizministeriums | |
an die Gefängnisleitungen. "Das Zwangsouting diskriminiert und | |
stigmatisiert", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der | |
FDP-Landtagsfraktion, Stefan Romberg. "Dieser massive Eingriff in die | |
Persönlichkeitsrechte ist nicht notwendig." | |
In Nordrhein-Westfalen muss seit 1986 jeder HIV-positiv getestete Häftling | |
einwilligen, dass seine Infektion im Gefängnis bekannt gemacht wird. | |
Ansonsten droht ihm die soziale Isolation: Gefangene, die sich weigern, | |
können in Einzelhaft kommen. Auch am Umschluss, also der Möglichkeit, | |
andere Gefangene zu treffen, können sie nicht mehr teilnehmen. Selbst die | |
Chance, im Knast einer Arbeit nachzugehen, besteht nach Angaben der | |
Aids-Hilfe Nordrhein-Westfalen dann nicht mehr. | |
Die Hilfsorganisation für HIV-Infizierte kämpft seit Jahren gegen das | |
Zwangsouting. Im schlimmsten Fall könne der Ministeriumserlass dazu führen, | |
dass Häftlinge versuchten, ihre Infektion auch vor den Gefängnisärzten zu | |
verbergen - und deshalb auf Medikamente verzichten, sagt der Sprecher der | |
Aids-Hilfe NRW, Guido Schlimbach. Nötig sei die wiederholte Aufklärung der | |
Häftlinge wie des Gefängnispersonals über Ansteckungswege. Außerdem müssten | |
sterile Einmalspritzen wie bereits Kondome kostenlos und anonym ausgegeben | |
werden. | |
In den NRW-Knästen ist fast die Hälfte der über 18.000 Gefangenen | |
drogenabhängig - oft hat sie der Kreislauf aus Sucht und | |
Beschaffungskriminalität ins Gefängnis gebracht. Mit Ersatzdrogen wie | |
Methadon versorgt werden nur rund 17 Prozent der von Opiaten wie Heroin | |
abhängigen Häftlinge. | |
Viele andere dürften sich auf dem gefängnisinternen Schwarzmarkt mit Drogen | |
versorgen. Entsprechend hoch ist die Gefahr, sich nicht nur mit HIV, | |
sondern auch mit anderen Krankheiten anzustecken. Eine sterile Spritze | |
kostet laut Aids-Hilfe im Knast 30 Euro oder fünf Päckchen Tabak - für | |
Gefangene ein Vermögen. | |
Trotzdem beharrte die Justizverwaltung, vor allem unter der ehemaligen | |
schwarz-gelben Regierung, auf ihrer harten Linie: Eine Verteilung von | |
Spritzen komme nicht in Frage, hieß es noch letzte Woche. Für einen | |
Kurswechsel war nach taz-Informationen eine persönliche Intervention von | |
SPD-Justizminister Thomas Kutschaty nötig. Über ein Ende des Zwangsoutings | |
"könne man reden", sagt dessen Sprecher jetzt - "und über die Verteilung | |
von Spritzen ebenso". | |
22 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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