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# taz.de -- Linguist Anatol Stefanowitsch über Sprachpolitik: "Deutsch ist nic…
> Die Staatssprache im Grundgesetz zu verankern, könnte den Status von
> Platt und Friesisch erschüttern, befürchtet der Hamburger Linguist Anatol
> Stefanowitsch.
Bild: Werden von Bild nur vorgeschoben, meint Stefanowitsch: Goethe und Schille…
taz: Herr Stefanowitsch, was haben Sie gegen das Deutsche?
Anatol Stefanowitsch: Gar nichts, im Gegenteil. Ich liebe das Deutsche, wie
ich alle Sprachen liebe.
Es stört Sie nur, dass Bild und der Verein deutsche Sprache (VDS) sie im
Grundgesetz fixieren wollen?
Genau. Meine Petition richtet sich dagegen, dass man das Deutsche
missbraucht, um einen Stellvertreter-Krieg gegen alle möglichen Phänomene
zu führen, die mit der Sprache relativ wenig zu tun haben.
Wie jetzt, missbraucht - der Grundgesetzeintrag soll sie doch schützen?!
Das könnte man glauben, wenn ihr Status als Landessprache bedroht wäre.
Aber der steht außer Frage: Er ist in vielen Verwaltungsgesetzen geregelt
und auch de facto nicht in Gefahr. Deshalb muss man vermuten, dass es den
Befürwortern einer grundgesetzlich verankerten Staatssprache um etwas ganz
anderes geht: Um den englischen Einfluss, den sie für schädlich halten, und
einigen sogar ums Ausleben fremdenfeindlicher Ressentiments.
Ein böser Verdacht!
Aber ein begründeter. Dafür reicht es, sich die Kampagne anzuschauen, mit
der sie ihre Petition beworben haben. Im Formular, das die Bild ihren
LeserInnen vorgibt, drückt sich das ja bemerkenswert deutlich aus. Da heißt
es zum einen: "Ich will nicht länger in Läden einkaufen, die mit ,Sale' für
den Schlussverkauf werben" - als hätte das Grundgesetz darauf irgendeinen
Einfluss. Und zum anderen: "Ich will keine Zuwandererfamilien, die sich bis
in die dritte Generation weigern, die Sprache des Landes korrekt zu lernen,
in dem sie leben."
Na, Sprachenlernen ist doch wichtig für Integration!
Zweifellos. Aber die Behauptung, es gäbe Zuwanderer in der zweiten oder
dritten Generation, die des Deutschen nicht mächtig wären, ist ja schon
eine reine Fiktion. Die gibt es nicht.
Woraus schließen Sie das?
Wir reden da von in Deutschland geborenen, schulpflichtigen Kindern. In
einzelnen Fällen ist da sicher Förderung nötig. Und es kann sein, dass die
Schulen das eine Zeit lang übersehen haben. Aber das hat sich längst
geändert, auch ohne Grundgesetz: Wo Förderbedarf besteht, muss der auch
erfüllt werden, das ist allen klar. Die Amtssprache ist bereits Deutsch -
und jeder, der hier leben möchte, ist dadurch angehalten, es zu lernen. Das
Grundgesetz würde daran nichts ändern …
… wohl aber hätte die verfassungsrechtliche Festschreibung symbolischen
Wert als Rückkehr zum monolingualen Habitus des 19. Jahrhunderts?
Das ist ein passender Begriff: Zwar würde sich in der tatsächlichen
Rechtssprechung wohl wenig ändern. Aber was hier versucht wird, ist,
symbolhaft die Einsprachigkeit und damit auch ein Bild kultureller
Homogenität als Norm darzustellen. Und dann kann man vor dem Hintergrund
dieser symbolischen Norm alles kritisieren, was diesem Bild nicht
entspricht - und hätte dafür stets das Grundgesetz auf seiner Seite.
Hätte das auch Auswirkungen auf die Minderheiten-Sprachen wie das
Saterfriesische, das Niederdeutsche, Romani und Sorbisch - die von der
Kampagne gar nicht gemeint scheinen?
Das steht zu befürchten. Ich bin mir auch nicht so sicher, ob die
Diskriminierung der Minderheitensprachen nicht zu den Zielen dieses
Vorstoßes zählen. Der VDS zitiert ja gerne die Académie Française als
Muster für Sprachpolitik …
… und die steht für eine stark normierte ,Hochsprache', klar.
Nun sind die Minderheitensprachen oft durch landesrechtliche Bestimmungen
geschützt. Aber dieser Status würde vielleicht wieder angreifbar. Drängend
ist auch die Frage, was mit den Dialekten geschieht.
Warum?
Weil die Frage, was das Deutsche eigentlich ist, also, wo es anfängt und wo
es aufhört, ihre relative Offenheit verlieren würde: Dass Sorbisch nicht
Deutsch ist, leuchtet schnell ein, aber was ist mit dem Plattdeutschen oder
dem Bayrischen? Das ist viel schwieriger zu entscheiden. Die Interpretation
liegt nahe, dass mit einem Grundgesetzeintrag so genanntes ,korrektes
Deutsch' gemeint wäre - und eben Dialekte und Varietäten als minderwertig
verdrängt würden.
Und deswegen haben Sie Ihre Gegen-Petition gestartet?
Ich wollte diese ausgrenzende, rückwärts gerichtete Sprachpolitik nicht
unwidersprochen lassen. Denn egal, wer gerade Multi-Kulti für gescheitert
erklärt und es verurteilt - das ändert ja nichts daran, dass es Realität
ist. Unsere Gesellschaft ist kulturell und sprachlich vielfältig. Und im
Zuge der voranschreitenden europäischen Integration wird das eher zu-, als
abnehmen. Eine gesetzliche Regelung wäre da für mich das falsche Zeichen -
ein Zeichen der Starre, der Abschottung und der Realitätsverweigerung.
Petition: "Grundgesetz - Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins
Grundgesetz", Mitzeichnungsfrist endet am 3. März
[1][//epetitionen.bundestag.de:https://epetitionen.bundestag.de]
Infos: [2][http://www.wissenslogs.de]
22 Feb 2011
## LINKS
[1] http://https
[2] http://www.wissenslogs.de
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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