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# taz.de -- Badespass in Peking: Süße Milch auf der Haut
> Mit Kronleuchter und roten Plüschsofas ist das Badehaus Nr. 8 am
> Chaoyong-Park ausgestattet. Der gut besuchte Wellness-Tempel hat rund um
> die Uhr geöffnet.
Bild: Traditionell werden in China die Badehäuser von Frauen und Männer getre…
PEKING taz | Vor der Tür parken BMW-Limousinen und ein amerikanischer
Hummer, drinnen empfangen uns lächelnde Hostessen. Sie tragen dezente
dunkle Kostüme. Von der Decke hängt ein Kronleuchter, an den Wänden stehen
rote Plüschsofas, es ist zehn Uhr morgens - und Zeit für die Flucht aus der
Tretmühle des Alltags, im Badehaus Nr. 8 am Chaoyang-Park im Pekinger
Osten.
Chinesische Badehäuser haben wie die japanischen Onsen eine lange
Tradition. Hier entspannen sich Männer und Frauen strikt getrennt.
Wir streifen die Schuhe ab und steigen ein paar Stufen hinab. Gedämpftes
Licht, feuchte Wärme und das leise Sprudeln aus Waschnischen und Badebecken
nehmen uns auf. Die Pekinger Künstlerin Ying ist regelmäßige Kundin. Sie
sagt: "Ein Badehaus gehört zum chinesischen Leben wie eine gute
Nudelsuppe!"
Zwischen Palmen und Sträuchern plaudern Besucherinnen mit weißen
Frotteeturbanen, vor sich eine Tasse Tee. Hierher kommen Händlerinnen und
Hausfrauen, Alte und Junge, Reiche und weniger Reiche.
Angestellte in adretten Pyjamas bringen frische Handtücher und Getränke,
sie weisen den Weg zur nächsten Station, zur Sauna oder Pediküre, ganz nach
Wunsch. Ying liegt unter der Wasserfalldusche, die deutsche Geschäftsfrau
Marianne sitzt in einem Becken und ignoriert ihr Handy, in dem unentwegt
Kurzbotschaften summen.
In den Peeling-Kabinen stehen Frau Wang und ihre Kolleginnen im schwarzen
Bikini bereit, den Gästen eine gute halbe Stunde lang mit groben
Handschuhen die Haut von Kopf bis Fuß abzuschrubben. "Nicht weglaufen",
sagt Wang und reißt mit den Zähnen eine Tüte süße Milch auf, die sie auf
ihre Kundin gießt und gleich verreibt.
In Pekings Badehäusern wird nicht nur gebadet und gesaunt, sondern auch gut
gegessen: Unter leicht gedämpften Licht wartet ein Buffet: darunter
Schweinefleisch sauer-scharf, Reis, gedünsteter Fisch mit Paprika.
Die Zeit vergeht wie im Fluge, wer will, kann einfach in einem Ruheraum
fernsehen, im Internet surfen oder schlafen. Der Eintritt kostet
umgerechnet 16 Euro, dafür kann man 24 Stunden bleiben, das Essen ist
inklusive, Peeling wird extra berechnet.
Abends kommen Freundesgruppen, spielen Karten oder Mahjong. Auch
Geschäftsreisende finden sich ein. Für sie ist das Badehaus eine günstige
Alternative zum Hotel, denn es hat 24 Stunden auf, morgens wird sogar
Frühstück serviert. Wie im Badehaus Nr. 8 geht es in vielen Etablissements
im ganzen Land zu, mal luxuriöser, mal schlichter.
Einen Blick in ein einfacheres Männer-Nachbarschaftsbad zu werfen, erlaubte
vor ein paar Jahren der populäre Film "Xizao" ("Shower") des Regisseurs
Zhang Yang: In der Komödie über ein privat geführtes Badehaus in einem
Pekinger Vorort walten ein alter Bademeister und sein geistig behinderter
Sohn zwischen gekachelten Becken, Massageliegen und Duschen.
Sie sorgen nicht nur für die Reinlichkeit, sondern bieten zugleich ein
Refugium für alle, die sich in vertrauter Gesellschaft für ein paar Cents
mit Schachspiel oder Klatsch die Zeit vertreiben wollen.
Am Ende des Films wird das Bad abgerissen, um einem modernen Bauprojekt
Platz zu machen, so wie es heute alltäglich in Chinas Städten ist. Damit
stirbt auch Stück für Stück die Erinnerung an die alten Zeiten in der
Hauptstadt.
Was sich nicht verändert hat: Einige Badehäuser sind nicht ganz so harmlos,
wie sie von außen erscheinen. In diskreten Separees bieten dort junge
Frauen den Gästen "spezielle Dienste" an. Auch hier, in der Nr. 8? Frau
Wang in ihrem schwarzen Bikini lächelt tiefgründig, und nach vier Stunden
Erholung wollen wir es auch gar nicht mehr so genau wissen.
23 Feb 2011
## AUTOREN
Jutta Lietsch
## TAGS
Reiseland China
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