# taz.de -- Putin in Brüssel: Buhlen um die Gunst der Europäer | |
> Regierungschef Putin reist am Donnerstag nach Brüssel. Moskau will den | |
> Technologietransfer aus dem Westen sicherstellen und den Export von Gas | |
> in die EU wieder erhöhen. | |
Bild: Putin kommt nur selten nach Brüssel, eigentlich sind die Beziehungen zur… | |
MOSKAU taz | Ministerpräsident Wladimir Putin reist nur selten nach | |
Brüssel. Die regulären EU-Russland-Gipfel, die zweimal jährlich | |
stattfinden, fallen in die Kompetenz seines Nachfolgers Präsident Dmitri | |
Medwedjew. Mit dem freundlicheren Kremlchef hat es Brüssel im Umgang etwas | |
leichter, auch wenn sich das zivilere Auftreten des Präsidenten nur | |
geringfügig auf die Inhalte der Politik auswirkt. | |
Die Richtung gibt nach wie vor Russlands "nationaler Lider" Putin vor, der | |
am Donnerstag gleich mit zehn Ministern und zahlreichen | |
Wirtschaftsvertretern anreist. Die Wirtschaftskrise hat Russland härter | |
getroffen als andere Länder und die Einsicht ist gewachsen, dass die | |
Abhängigkeit vom Energie- und Rohstoffexport langfristig Moskaus Rolle in | |
der internationalen Arena weiter schmälert. | |
Ein wichtiges Thema wird daher die Modernisierungspartnerschaft zwischen | |
der EU und Russland sein. Moskau ist auf den Technologie- und | |
Wissenstransfer aus Europa angewiesen. Der Traum von der Energie-Supermacht | |
hat sich als Illusion erwiesen. Für die politische Elite stellt dies nicht | |
nur außenpolitisch einen Prestigeverlust dar. Als Rentiers der Energie- und | |
Rohstoffwirtschaft sind ihre Privatkonten und die Fortschreibung des | |
autoritären Herrschaftsmodells direkt betroffen. | |
Putin kommt in seiner eigentlichen Funktion als oberster Gasmann nach | |
Brüssel. Nutzte der Kreml das Gas bislang als außenpolitisches Druckmittel, | |
hat sich die Ausgangslage verändert. Die EU versucht ihre Abhängigkeit von | |
rund einem Drittel der Gasversorgung aus Russland durch andere Lieferanten | |
zu verringern. EU-Kommissar Günther Oettinger nannte 25 bis 30 Prozent als | |
künftigen Richtwert für Lieferungen aus Russland. | |
Moskau verfolgt dies mit wachsendem Missmut. Das Flüssiggasangebot auf dem | |
Markt und neue Schelfgasvorkommen haben überdies zu einem Preisverfall | |
geführt. In den Büchern des Gasgiganten Gazprom schlug sich diese | |
Entwicklung mit einem Gewinneinbruch von 9 Prozent im letzten Jahr nieder. | |
Putin will die EU wieder für mehr gewinnen. Daher begleitet auch | |
Gazprom-Chef Alexej Miller den Regierungschef. Vor kurzem bezeichnete | |
dieser Schelfvorkommen und Flüssiggas noch als "Blase", die demnächst | |
platzen wird. Inzwischen kämpft er gegen den Imageverlust des Unternehmens. | |
Gazprom sei ein verlässlicher Lieferant, meinte Miller und lockt die EU mit | |
Lieferzusagen bis 2050. "Das Problem ist die Politik", sagte er. | |
Für diese Politik zeichnet Putin verantwortlich. Unmut ruft auch das Dritte | |
Energie-Paket der EU hervor, das demnächst in Kraft tritt und darauf | |
abzielt, die Konkurrenz unter den Anbietern zu fördern und eine | |
einheitliche Energiepolitik zu erreichen. Moskau läuft dagegen Sturm. Die | |
Trennung von Gasförderung und Pipelinesystem, die das Versorgungsmonopol | |
eines Unternehmens unterbinden soll, passt dem russischen Monopolisten | |
nicht. Putin will in Brüssel sicherstellen, dass das Paket nicht auf | |
Russlands Kosten geht. | |
Der EU-Botschafter in Moskau, Fernando Valenzuela, sprach dennoch von einer | |
"substanziell positiven Verbesserung" der bilateralen Beziehungen. Moskaus | |
Emissär in Brüssel, Wladimir Tschisow, sieht das um eine Nuance | |
realistischer: Die Diskussion Putins mit den europäischen Partnern könnte | |
"unangenehm" werden. In der letzten Woche hatte das EU-Parlament eine | |
Russland-Resolution verabschiedet, in der es auf den alarmierenden Zustand | |
des russischen Rechtssystems und systematische Menschenrechtsverletzungen | |
hinwies. Die Resolution löste in der Nomenklatura Missbehagen aus. Putin | |
wird sich das hoffentlich noch mal anhören müssen. | |
24 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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