# taz.de -- STREIT UM NEUBAU AM ZIEGENMARKT: "Unerträglich", aber rechtens | |
> Eine Bürgerinitiative ist entsetzt über einen geplanten Neubau am | |
> Ziegenmarkt im Steintor - doch die Bauarbeiten sind schon in vollem Gange | |
Bild: Der Bauzaun steht, der Kran ebenso. Aber auch der Protest. | |
Die Baugenehmigung liegt längst vor. Der Abriss läuft bereits seit dem | |
ersten März. Auch vom Stadtteilbeirat kam keine Ablehnung. Und doch: Eine | |
Bürgerinitiative will den Bau eines Wohn- und Geschäftshauses am | |
Ziegenmarkt im Steintorviertel noch stoppen. Sie fordern vom Bauherren | |
Holger Micheli einen Runden Tisch mit den AnwohnerInnen und einen | |
Architektenwettbewerb. | |
Wo bislang der Rewe-Markt zentraler Anlaufpunkt war, stehen nun ein Kran | |
und bald ein Schutthaufen. Am 31. August dieses Jahres soll der Supermarkt | |
wieder eröffnet werden, darüber jedoch nicht wie bisher die graue Wand des | |
Hintergebäudes prangen, sondern ein mehrstöckiger Neubau mit 26 Wohnungen, | |
in der obersten Etage mit Geschäftsräumen. Auf dem Baustellenzaun kündigen | |
die ersten Plakate und Sprühereien vom Widerstand gegen das Vorhaben im | |
Viertel. | |
"Es ist nicht pfiffig, den Ziegenmarkt ohne Bürgerbeteiligung zu planen", | |
sagt Michael Quast, der zusammen mit bislang etwa 20 anderen | |
ViertelbewohnerInnen die Bürgerinitiative "Ziegenmarkt 21" gegründet hat. | |
Nicht nur den Namen teilt die Initiative mit dem Protest in Stuttgart, auch | |
der Zeitpunkt ist ähnlich spät gewählt. Öffentlich berichtet wurde von der | |
Bauplanung im Herbst, in einer Stellungnahme nahm auch der Beirat der | |
Östlichen Vorstadt dies zur Kenntnis, lehnte den Bau aber nicht ab. | |
Grundsätzlich könne der Beirat seine Wünsche äußern, so Fritz Arndt, der | |
beim Ortsamt Mitte für Bau und Verkehr im Stadtteil zuständig ist. Wenn | |
alles rechtens sei, müsse die zuständige Baubehörde jedoch die Genehmigung | |
erteilen. "Es ist ein positives Signal, dass der Supermarkt erhalten bleibt | |
und im Viertel investiert wird." Auch Wolfgang Weiß, selbst Architekt und | |
nun in der Bürgerinitiative aktiv, begrüßt grundsätzlich, dass die Baulücke | |
geschlossen wird - nicht jedoch wie es nun geplant ist: "Das Gebäude ist | |
unerträglich." Es müsse das Umfeld des Ziegenmarktes in die Planung | |
miteinbezogen werden. Jan Saffe, Mitarbeiter im Bauernladen und der | |
Bürgerinitiative, kritisiert, dass nicht verstärkt auf erneuerbare Energien | |
beim Bau geachtet worden sei. Zudem seien die Wohnungen nur von Reichen zu | |
bezahlen. | |
Peter Rüdel (Grüne), Sprecher des Beirates der Östlichen Vorstadt, begrüßt | |
den öffentlichen Widerstand, damit das Bauvorhaben politisch noch einmal | |
auf den Tisch komme: "Ich habe die Entwürfe gesehen und finde sie | |
scheußlich." Der Beirat hätte rechtlich wenig machen können, auch weil es | |
von Seiten der Bevölkerung bislang wenig Interesse gab. Auf die Forderungen | |
eines Architektenwettbewerbs sei der Bauherr Micheli nicht eingegangen, er | |
habe sich auf seine rechtlichen Ansprüche zurückgezogen. Lediglich ein paar | |
Nachbesserungen seien erreicht worden. Vor allem der Senatsbaudirektor | |
Franz-Josef Höing habe sich mehrfach mit dem Bauherren getroffen und ihn zu | |
Änderungen bewegen können, beispielsweise einer stärkeren Öffnung des | |
Gebäudes zum Ziegenmarkt durch eine Fensterfront. | |
Für Michael Quast von der Bürgerinitiative ist dies ein Hinweis, dass ein | |
Einfluss auf die Gebäudeplanung möglich ist. Ohne AnwohnerInnenbeteiligung | |
vergrößere sich der Interessenkonflikt mit dem benachbarten Bistro oder dem | |
anliegenden Kindergarten in der Gleimstraße, vor allem wegen des | |
entstehenden Schattens und der Lautstärke. Das benachbarte Jugendzentrum in | |
der Friesenstraße ist deshalb auch an der Initiative beteiligt. "Wir sind | |
sehr erstaunt, wenn dauernd von Beteiligung geredet wird und an solch einem | |
zentralen Ort das gegenüberliegende Jugendzentrum nicht mit ins Boot geholt | |
wird", sagt deren Geschäftsführer Holger Lauster. Beim Vermieter der | |
"Friese", der Immobilien Bremen, war man am Montag bei einer Begehung von | |
der Baustelle überrascht und habe sich an die Bauordnung gewandt - um | |
prüfen zu lassen, ob der Abriss des alten Gebäudes überhaupt rechtmäßig | |
verläuft. | |
Die Bürgerinitiative sammelt derzeit Unterschriften und plant am 15. März | |
eine Infoveranstaltung im Alten Fundamt. "Trotz der formalen Situation | |
gehen wir davon aus, noch ein Schlichtungsgespräch hinzubekommen", so | |
Wolfgang Weiß. Das Architekturbüro Holger Micheli nahm zu den Vorwürfen bis | |
Redaktionsschluss nicht öffentlich Stellung. | |
8 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Gewaltverbrechen | |
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