# taz.de -- Online-Sucht in Südkorea: Arm geht ins Netz | |
> Die Annahme, arme Menschen schauten mehr TV, stimmt in der Internetnation | |
> Südkorea nicht mehr. Dort steigt in niedrigen Einkommensgruppen die | |
> Online-Sucht. | |
Bild: Auch Formen digitaler Spielsucht sind verbreitet: Junge Männer in einem … | |
Wissenschaftler in Südkorea wollen einen Zusammenhang zwischen geringem | |
Haushaltseinkommen und besonders starker Internet-Nutzung festgestellt | |
haben. Wie die in Seoul erscheinende Korea Times Ende letzter Woche | |
[1][berichtete], steigt die Wahrscheinlichkeit der Online-Sucht mit | |
schwierigen familiären Situationen. Das alte Klischee, nach dem Arme mehr | |
TV schauen, scheint in der fortschrittlichen Online-Nation nicht mehr zu | |
gelten. | |
Die Untersuchung wurde von acht Ministerien, darunter denen für Gesundheit, | |
Familie, Bildung und Kultur, gemeinsam beauftragt. Befragt wurden knapp | |
7.500 Personen im Alter zwischen neun und 39 Jahren. Immerhin neun Prozent | |
zeigten dabei Anzeichen von Internet-Sucht, womit die Forscher Personen | |
meinten, die das Netz so intensiv nutzten, dass es spürbare Auswirkungen | |
auf ihren Alltag hat. | |
Bei Menschen aus Familien, deren monatliches Haushaltseinkommen bei 1.800 | |
bis 900 Dollar liegt - für koreanische Verhältnisse niedrig -, erhöhte sich | |
die Quote auf fast zwölf Prozent. Mit steigendem Haushaltseinkommen | |
verringere sich auch die Gefahr einer Online-Sucht, schlossen die Forscher. | |
Bei Familien mit Einkommen von 4.500 Dollar oder mehr lag die Rate nur noch | |
bei 6,6 Prozent. | |
Auch seien Kinder von Alleinerziehenden doppelt so häufig onlinesüchtig als | |
solche aus traditionellen Haushalten. Kinder mit Migrationshintergrund oder | |
ausländischen Elterteilen sind zudem besonders stark betroffen. Hier soll | |
die Suchtquote gar bei 40 Prozent liegen. | |
Um die Gefahren einer zu starken Internet-Nutzung einzudämmen, will die | |
Regierung nun bestimmten Online-Spielen Zeitbeschränkungen verpassen. Es | |
soll eine virtuelle "Ausgangssperre" ab Mitternacht geben, in der die | |
Server für Kinder unter 16 Jahren außer Betrieb bleiben müssen. In der | |
Diskussion sind optionale Zwangspausen auch für tagsüber. | |
Südkorea gilt bei der Internet-Nutzung als absolute Topnation. Der | |
asiatische Staat ist in Sachen Breitband-Durchdringung deutlich weiter als | |
Deutschland. Es gibt in vielen Regionen kaum noch einen Nutzer, der nicht | |
über eine schnelle Glasfaserverbindung online geht, in den kommenden Jahren | |
sollen die Bandbreiten noch besser werden. | |
## Breitbandnation Südkorea | |
In Deutschland überwiegt stattdessen noch immer die DSL-Technik. Sie | |
basiert auf dem langsamen Kupfer-Telefonnetz, das die "letzte Meile" zum | |
Kunden stellt und sich mehr und mehr zum Flaschenhals entwickelt. Der | |
Marktführer Deutsche Telekom plant erst ab diesem Jahr größere | |
Glasfaser-Projekte. | |
Entsprechend deutlich fallen die Unterschiede bei den | |
Datenübertragungsraten aus. Während deutsche Nutzer laut einer Studie des | |
Netzausrüsters Cisco im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 11 Megabit | |
pro Sekunde im Download dahinsurften, ging es in Südkorea mit 33 Megabit | |
pro Sekunde dreimal so schnell zur Sache. | |
Der Glasfaser-Ausbauverantwortliche der Regierung, Choi Gwang-gi, glaubt, | |
dass die Südkoreaner die ideale Nation für die Technik seien: "Viele von | |
uns sind Early Adopter", sagte der erst 28jährige Experte kürzlich der New | |
York Times. Das bedeutet, viele Südkoreaner sind mit dem Internet | |
aufgewachsen. Die Leute wollen vorbereitet sein auf die Multimedia-Zukunft | |
mit noch höher auflösendem Fernsehen, 3D-TV und neuartigen | |
Internet-Diensten. | |
Selbst in ländlichen Gebieten ist die südkoreanische Netz-Versorgung | |
mittlerweile hervorragend - die erzielbaren Datenraten unterscheiden sich | |
laut Cisco-Erfassung kaum von dem, was in Städten möglich ist. Und es | |
dürfte bald noch besser kommen: Spätestens Ende 2012 sollen laut | |
Regierungsbeschluss alle Haushalte des Landes Internet-Anschlüsse mit einem | |
Gigabit pro Sekunde erhalten. | |
Technisch ist das kein großes Problem, weil die dafür notwendigen | |
Glasfasern bereits verlegt wurden. 25 Milliarden Dollar soll der Ausbau | |
kosten, eine Milliarde davon stellt die Regierung über Fördermittel. Dabei | |
ist der Preis für den Netzzugang moderat: Wer die in Deutschland nach wie | |
vor seltenen 100 Megabit pro Sekunde haben will, zahlt laut OECD-Auswertung | |
unter 30 Euro im Monat. Das können sich auch ärmere Menschen problemlos | |
leisten. | |
9 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://koreatimes.co.kr/www/news/nation/2011/03/113_82436.html | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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