# taz.de -- Katharina Kohl und DG Reis über Kunst im Imbisswagen: "Wir wollen … | |
> Ein Imbisswagen mit Kunst drin - "Kunstimbiss" genannt - tourt seit fünf | |
> Jahren durch Hamburg und, gelegentlich, auch andere Städte. Der Zulauf | |
> ist enorm. | |
Bild: Verkaufen Kunst auf der Straße: Katharina Kohl und DG Reiß vom Kunstimb… | |
taz: Frau Kohl, Herr Reiß, "Kunst-Imbiss" klingt einerseits nach spannender | |
Intervention, andererseits nach Mainstream. Was ist es nun? | |
Katharina Kohl: Genau diese Ambivalenz ist Teil des Projekts: Wir wollen | |
beides abdecken und gerne alle mitnehmen, die unterwegs sind. Und dazu muss | |
man etwas anbieten, das die Leute auf den ersten Blick erkennen. Auf den | |
zweiten Blick können sie dann ja irritiert sein oder merken, dass das, was | |
sie zuerst dachten, nicht stimmt. Das ist unsere Strategie: dass Kunst ganz | |
einfach daher kommt. | |
DG Reiß: Wir wollen mit dem Gebilde Imbiss spielen und dabei durchaus | |
irritieren: Erstmal sehen wir aus wie eine Frittenbude und locken die | |
Leute. Dann bekommen sie Dinge zu sehen, mit denen sie nicht gerechnet | |
haben. | |
Oder sie sind enttäuscht, weil die Fritten fehlen. | |
Reiß: Auch das kommt vor. Aber aus dieser Enttäuschung heraus, dass man | |
hier nichts konsumieren kann, haben sich schon viele gute Gespräche | |
entwickelt. | |
Kohl: Man ist dann sofort beim Thema "Was gibt es im öffentlichen Raum, was | |
tut man dort"? | |
Und was tun Sie dort? | |
Reiß: Wir präsentieren Werke von 100 Hamburger Künstlern, die von der | |
Postkarte über kleine Skulpturen bis zu Fotos, Zeichnungen und kleinen | |
Gemälden reichen. Sie kosten zwischen einem und 500 Euro. | |
Die Leute sollen also kaufen. | |
Reiß: Nicht in erster Linie, und wir verdienen auch nichts daran, weil wir | |
das Geld komplett an die Künstler weiterreichen. Wir verstehen unser | |
Projekt als Performance, bei der wir vor allem in Kontakt kommen wollen. | |
Mit wem? | |
Kohl: Mit Menschen in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs - in erster Linie | |
jedenfalls; wir waren auch schon in Berlin eingeladen. Begonnen hat unser | |
Projekt 2005, als für die - damals noch kaum bebaute - Hamburger Hafencity | |
ein Wettbewerb für temporäre Kunst ausgeschrieben war. Beim Gang über die | |
Baustelle dachten wir: Hier müssen wir nicht die hundertste | |
Video-Installation anbringen. Und dann: Das einzige, was hier fehlt, ist | |
ein Imbiss. | |
Aber in der Hafencity war doch damals kein Mensch. | |
Reiß: An den Wochenenden schon. Da sind dort Tausende flaniert - ganz zu | |
schweigen von den Wochenenden, als das Riesen-Kreuzfahrtschiff"Queen Mary" | |
in Hamburg war. | |
Haben Sie von diesen Massen profitiert? | |
Kohl: Kaum. Die haben uns teilweise nicht als Kunstprojekt erkannt. Aber | |
man soll nicht ungerecht sein: Natürlich hatten wir in diesen Tagen viele | |
Besucher. | |
Wer kommt zu Ihnen? | |
Kohl: Das hängt vom Stadtteil ab. Nach der Hafencity haben wir ja in | |
kulturell eher unscheinbaren Stadtteilen wie Barmbek, im "Problemstadtteil" | |
Wilhelmsburg, aber auch im kreativen Ottensen gestanden. Das Publikum | |
unterschied sich stark. In Barmbek haben uns die Leute lange umschlichen, | |
bevor sie kamen. In Ottensen war es ein Heimspiel. | |
Worüber sprechen Sie mit den Leuten? | |
Reiß: Zuerst natürlich über ihre Irritation. Viele verstehen nicht, was an | |
unserem Wagen und den Exponaten Kunst sein soll. Wir versuchen dann, auf | |
sie einzugehen und sprechen manchmal erst lange über "Gott und die Welt", | |
bevor wir zur Kunst, zur Frage nach dem Sinn von Konsum und nach mehr | |
Lebensqualität kommen. | |
Kohl: Uns ist wichtig, die Leute da abzuholen, wo sie sind. Das heißt auch: | |
Ihre Sprache sprechen. Und das haben wir in den letzten fünf Jahren | |
gelernt: in einem nicht-verklausulierten Vokabular über Kunst zu sprechen. | |
Glauben Sie, dass die Menschen davon profitieren? | |
Kohl: Wir hoffen es. Jedenfalls sind fast alle ausgesprochen freundlich zu | |
uns. Manches ist auch einfach skurril: Da kam zum Beispiel mal ein | |
Rockerpärchen und lachte sich schief, weil das doch keine Kunst wäre. Dann | |
haben sie eine kleine Arbeit von Tonia Kudras gekauft. Die fanden sie | |
großartig - egal, ob das nun Kunst sei oder nicht. | |
Aber letztlich wollen Sie das Gespräch auf die Kunst lenken. | |
Reiß: Ja. Manchmal gelingt es und manchmal nicht. | |
Kohl: Da brauchen wir gar nicht so viel zu lenken, denn wir haben ja so | |
viel da, was man angucken kann. | |
Wo fangen Sie an? | |
Kohl: Wir sagen ihnen, dass sie auf das vertrauen sollen, was sie sehen. | |
Zum Beispiel irgend so eine seltsame Filzkugel. Dann fangen sie an zu | |
fragen - nach dem Material oder danach, warum man so etwas macht und in | |
welchem Zusammenhang es steht. | |
Empfinden Sie sich als Missionare? | |
Kohl: Der Kunstimbiss ist ein Vermittlungsprojekt, und diese Vermittlung | |
begreifen wir als künstlerischen Prozess. Ein bisschen ist es auch eine | |
Performance, die in dem Moment entsteht, in dem ein x-beliebiger Mensch auf | |
den Wagen zukommt und eine Arbeit anguckt. Dann präsent zu sein und zu | |
reagieren - das ist unsere Performance. Natürlich hegen wir die Hoffnung, | |
dass Menschen Zugang zur Kunst bekommen. Das hängt nicht immer mit Bildung | |
zusammen. Es gibt auch Menschen, die keine Vorkenntnisse haben und merken: | |
In diesem Thema bin ich zuhause. Das ist der Moment, in dem es spannend | |
wird: Wenn Leute, die nie in eine Galerie gehen, bei uns spüren, wie viel | |
ihnen das gibt. | |
Sie können bei Ihnen den Umgang mit Kunst üben. | |
Reiß: Sie können ästhetische Erfahrungen sammeln, ohne durch "berühmte" | |
Namen bevormundet zu werden. Deshalb schreiben wir keine Namen an die | |
Arbeiten. | |
Gibt es Galeristen, die Ihnen Ihren Zulauf neiden? | |
Kohl: Nicht dass ich wüsste. Mit Galerien zu konkurrieren ist nicht unser | |
Ziel. Außerdem nehmen wir den Galeristen das Geschäft ja nicht weg, sondern | |
sind eher hilfreich, indem wir Künstler bekannter machen. | |
Wie finanzieren Sie das Projekt? | |
Kohl: Anfangs über das Wettbewerbsgeld, dann über Projektgelder | |
verschiedener Stiftungen und Organisationen. Für dieses Jahr haben wir | |
allerdings mehrere Absagen bekommen, sodass wir den Wagen bis auf weiteres | |
in der Garage lassen müssen. | |
Geben Sie auf? | |
Reiß: Nein, aber wir wollen uns auch nicht zu sehr verbiegen und auch nicht | |
irgendwo hinfahren, wo wir uns nicht wohlfühlen, und dann schlecht gelaunt | |
dort stehen. Andererseits ist der Kunstimbiss für 2011 als einer der | |
bundesweit 365 "Orte der Ideen" ausgewählt worden. | |
Bringt das Geld oder Ehre? | |
Kohl: Ehre. | |
9 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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