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# taz.de -- Neues Hostel für den Reuterkiez: Touristen campen in Neukölln
> Die Debatte um Touristenströme erreicht den Reuterkiez. Anwohner
> reagieren gelassener als ihre Kreuzberger Nachbarn. Weitere Kiezgespräche
> geplant.
Bild: Achtung hier kommt ein Hotel hin: Aktuelles Plakat des Clubs Maria am Ost…
Noch wirkt die ehemalige Fabrikhalle im Hinterhof der Neuköllner
Hobrechtstraße ein bisschen steril für einen Campingplatz. Die Wände
strahlen weiß. Mehrere Wohnwagen stehen auf Podesten, jeweils ein Tisch mit
zwei Stühlen ist davor aufgebaut. Zwei Hütten aus Holz erinnern an Saunen.
Mitten in der Halle streckt ein gefällter Baum seine kahlen Äste in die
Luft. Bald soll sich der neue Indoor-Campingplatz mit Leben füllen: Ende
März öffnet der "Hüttenpalast" seine Tore. Zwölf Gäste können dann in den
Wohnwagen und Häuschen schlafen, zwölf weitere in den Räumen des
dazugehörigen Hotels. 30 Euro kostet die Übernachtung pro Person im
Wohnwagen, für ein Doppelzimmer im Hotel muss man insgesamt 80 Euro zahlen.
Gut möglich, dass der Laden trotz der stolzen Preise bald brummt. Längst
ist Nordneukölln Ziel von Touristen, die nicht nur das Brandenburger Tor
sehen wollen, sondern auf der Suche sind nach Subkultur, nach kleinen
Schneiderläden und originellen Kneipen. Ebenfalls in der Hobrechtstraße
bietet die Riverside Lodge von März bis Oktober acht Betten für
Berlin-Besucher. Seit 2004 gibt es das kleine Hostel. "Die Nachfrage steigt
seit Jahren stetig, wir sind immer voll", berichtet der Inhaber. Um die
Ecke in der Schinkestraße kommen Touristen in der Schokofabrik unter. An
der Karl-Marx-Straße eröffnete vor einem Jahr das Rixpack Hostel mit 80
Betten. Und im Internet werden zahlreiche Altbauwohnungen, etwa in der
Weserstraße, als Feriendomizile angeboten.
Die Eröffnung des Hüttenpalasts fällt zusammen mit einer aufgeregten
Debatte über die Verträglichkeit des boomenden Berlin-Tourismus in
Szenevierteln. Im Fokus stand dabei bislang der Kreuzberger Wrangelkiez.
Die Grünen luden vor zwei Wochen zu einer Veranstaltung mit dem provokanten
Titel "Hilfe, die Touris kommen!" - und stießen auf große Resonanz. "Wir
sind hier nicht im Zoo", brachte ein Anwohner das Unwohlsein mancher auf
den Punkt. Dass gerade im alternativen Kreuzberg Abwehrreflexe gegenüber
Fremden laut werden, machte bundesweit Schlagzeilen.
Die Neuköllner reagieren bei einer kurzen Umfrage gelassen auf die
Besucher. Eine junge Frau, die im Vorderhaus des Hüttenpalasts wohnt, ist
zwar beunruhigt. Ihr Schlafzimmer liegt direkt über dem Hof, in dem sich
die Gäste aufhalten sollen. Trotzdem will sie erst mal abwarten. "Ich hoffe
einfach, dass die Betreiber den Lärm in Grenzen halten", sagt sie. Der
türkischstämmige Besitzer eines Spätkaufs schräg gegenüber freut sich über
die Neueröffnung. "Das ist gut für meinen Laden."
Eine Anwohnerin aus der Sanderstraße steht der Entwicklung kritisch
gegenüber. "Wenn in der Kneipe gegenüber nur Englisch gesprochen wird, habe
ich damit kein Problem", sagt sie. Doch kämen viele Touristen nach
Neukölln, weil sie gerade das Heruntergekommene schick fänden - und
benähmen sich entsprechend. "Das Quartiersmanagement versucht die
Neuköllner dazu zu bringen, weniger Müll auf die Straße zu schmeißen, auf
ihren Kiez zu achten." Besucher, die ihre Sektflaschen auf dem Bürgersteig
stehen lassen und in die Ecke kotzen, machten diese Bemühungen zunichte.
Auch die grüne Abgeordnete Anja Kofbinger, die bei der Wahl im Herbst in
Nordneukölln antreten will, wohnt seit langem in der Nähe. "Es kommen sehr
viele junge Leute hierher. Das ist toll, zieht aber auch einen
Rattenschwanz von Problemen nach sich." Ferienwohnungen erhöhten die
Mieten, die sowieso schon stark gestiegen seien. Sie glaubt, dass die
Eröffnung des Hüttenpalasts nur der Anfang ist. "Ich gehe fest davon aus,
dass andere folgen werden", sagt Kofbinger.
Noch vor Ostern will sie ein Kiezgespräch zum Thema Tourismus organisieren.
Der Bedarf sei da: "Die Leute werden langsam nervös", glaubt sie. Sie wolle
dafür allerdings einen weniger reißerischen Titel wählen als ihre
Kreuzberger Parteikollegen.
Auch im Wrangelkiez geht die Diskussion weiter: Am kommenden Montag lädt
das Quartiersmanagement Anwohner ein, mit dem Bürgermeister von
Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), über die Entwicklung des
Viertels zu sprechen.
15 Mar 2011
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
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