# taz.de -- Japans Elektronikbranche: Hightech im Dreck | |
> Die IT-Nation Japan ist nach Beben, Tsunami und Atomunfällen schwer | |
> angeschlagen, doch einige Firmen produzieren eisern weiter. Die | |
> Elektronikbranche fürchtet die Lage. | |
Bild: Noch ist vieles erhältlich: Kunden in einem Elektronikmarkt in Tokio. | |
BERLIN taz | "Nicht auszuschließen ist, dass es bei einzelnen Herstellern | |
zu Engpässen bei bestimmten Teilen kommen kann", sagte August-Wilhelm | |
Scheer, Vorsitzender des deutschen IT-Branchenverbands Bitkom, am Mittwoch. | |
Im weltweiten Maßstab sei die Versorgung aber nicht gefährdet. | |
Nach den ersten Berichten der Hersteller hielten sich die direkten | |
Auswirkungen des Erdbebens und des Tsunamis auf die Produktion von | |
Hightech-Produkten in Grenzen. Dies gelte, "solange die Situation in Japan | |
nicht weiter eskaliert", zum Beispiel nach einem Super-GAU. | |
Die Unternehmen bemühten sich aktuell, die Fertigung wieder in Gang zu | |
bringen, andernfalls verlagerten sie Produktionskapazitäten in andere | |
Werke, sagte Scheer weiter. Viele der japanischen Hersteller seien global | |
aufgestellt und produzieren auch außerhalb des Landes in der Nähe ihrer | |
Absatzmärkte. | |
Zwar ist Japan schon lange nicht mehr zentraler Endmontagepunkt vieler | |
Geräte – da ist China mittlerweile erheblich billiger geworden. Doch das | |
Land, das schwer unter den Auswirkungen von Erdbeben, Tsunami und | |
Atomvorfällen leidet, liefert wichtige Komponenten. Neben Endgeräten werden | |
in Japan auch zahlreiche Komponenten wie Chips, Sensoren oder LCD-Glas | |
gefertigt. | |
Auf den Spot-Märkten für Speichermodule reagierten bereits zu Wochenbeginn | |
nervös. Die viel verwendeten NAND- und DRAM-Riegel, die in Computern, | |
Smartphones und zahlreichen anderen elektronischen Geräten stecken, zogen | |
im Preis merklich an: am Montag NANDs um bis zu 20 Prozent, das typische | |
DRAM-Modul mit 2 Gigabit im DDR3-Standard um fast 7 Prozent. | |
Marktbeobachter verwunderte das nicht. Zwar sind nur wenige dieser | |
Chipfabriken offenbar direkt vom Beben und Tsunami betroffen – beim | |
Hersteller Toshiba gab man etwa bereits Entwarnung. Doch deren | |
Zulieferbetriebe, die kleine Bauteile und Materialien herstellen, die | |
wichtig für die Großkonzerne sind, scheinen in Schwierigkeiten zu geraten | |
zu sein. | |
## Einschränkungen der gesamten Lieferkette | |
Dabei geht es nicht unbedingt um direkte Zerstörungen, sondern auch um das | |
Problem der Stromversorgung. Wenn die Elektrizitätslieferanten wie | |
angekündigt Stromabschaltungen starten, also bestimmte Regionen für einige | |
Stunden vom Netz nehmen, können große Werke zwar über eigene Generatoren | |
den Betrieb aufrecht erhalten, doch den kleinen Lieferanten fehlt diese | |
Technik oft. Dies führt zu Einschränkungen der gesamten Lieferkette. | |
Solches befürchtet nun auch der Zentralverband Elektrotechnik- und | |
Elektronikindustrie (ZVEI). Bei längerfristigen Produktionsausfällen könne | |
es zu weltweiten Ausfällen kommen, die dann Auswirkungen auf eine Vielzahl | |
elektronischer Erzeugnisse hätten, teilte der Verband am Mittwoch in | |
Frankfurt mit. | |
Daneben sind einige Betriebe nach dem Beben zunächst geschlossen worden, um | |
Teams zu erlauben, die Herstellungsstraßen auf Schäden zu überprüfen. Das | |
betrifft beispielsweise Shin-Etsu und Sumco, die zusammen den Weltmarkt an | |
300-mm-Silizium-Wafern beherrschen, aus denen andere Firmen wieder Chips | |
produzieren. Und: Nach den Checks drohen auch hier Rolling Blackouts. | |
## Große Chiphersteller in Taiwan und Korea beruhigen | |
Große Chiphersteller in Taiwan und Korea beruhigen allerdings: sie hätten | |
noch diverse Wafer auf Lager, bräuchten also zunächst keinen Nachschub. In | |
der Welt der "Just-in-time"-Logistik kann sich das allerdings schnell | |
ändern. Spätestens in vier bis acht Wochen, heißt es in Analystenberichten, | |
sei mit Engpässen zu rechnen, die dann auch auf den Rest der Branche | |
durchschlagen könnten. | |
Auch in anderen Bereichen könnte es Probleme geben. So gehört Japan zu den | |
Zentren der Batterie- und Solarzellenherstellung. Werke von Firmen wie | |
Mitsubishi und Seiko, die sich in den betroffenen Regionen befinden, | |
dürften beschädigt sein, meinen Beobachter. Sie liefern wichtige | |
High-Tech-Komponenten, die dann in der Endfertigung fehlen, die | |
üblicherweise in China stattfindet. | |
Kommt es zu extremen Versorgungskrisen, werden diejenigen Technikfirmen als | |
erste mit Komponenten versorgt, die die größten und langfristigsten | |
Lieferverträge haben. So könnten große Firmen, die große Mengen an NANDs | |
und Chips abnehmen, weniger auf dem Trocknen sitzen als kleinere Anbieter. | |
Wie sich die Lage entwickelt, traut sich kein Marktexperte vorherzusagen – | |
die Entwicklung der nächsten Wochen gilt als entscheidend. | |
Deutschland importierte nach Angaben des Bitkom aus Japan im Jahr 2010 | |
Hightech-Produkte im Wert von 1,8 Milliarden Euro. Davon entfallen 730 | |
Millionen Euro auf Unterhaltungselektronik, also Fernseher oder | |
Digitalkameras, 670 Millionen Euro auf IT-Produkte wie Computer und Drucker | |
und 430 Millionen Euro auf Kommunikationstechnik. Das entspricht vier | |
Prozent aller Einfuhren in diesen Marktsegmenten. Deutschland lieferte | |
umgekehrt im Jahr 2010 ITK-Waren im Wert von 167 Millionen Euro nach Japan. | |
16 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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