# taz.de -- Debatte zur Katastrophe in Japan: Abgeordnetenhaus vermeidet den GAU | |
> Das Parlament diskutiert über den AKW-Unfall. Den Abgeordneten gelingt | |
> es, Kante zu zeigen - und doch einmütig Solidarität mit den Opfern | |
> auszudrücken. | |
Bild: Solidarität und Gedenken an die Opfer der Katastrophe in Japan standen a… | |
Es ist kurz vor drei Uhr, als das so Überraschende geschieht. Da | |
beklatschen die Herren und wenigen Damen auf der Parlamentsrechten den | |
Herrn von ganz links, der gerade am Rednerpult steht. Zumindest kurz sorgt | |
die Diskussion zur AKW-Katastrophe in Japan für ungewohnte Nähe zwischen | |
Unionsfraktion und der Linkspartei, die für manchen CDUler noch immer nur | |
eine erneuerte SED ist. Je länger die Debatte am Donnerstag aber währt, um | |
so mehr weicht allgemeine Betroffenheit einem knallharten Disput über einen | |
sofortigen Atomausstieg. | |
So mancher Streit in der Koalition oder im Parlament verliere angesichts | |
der Katastrophe in Japan an Bedeutung - das sind die Worte, für die | |
Linken-Fraktionschef Udo Wolf den Beifall der Konservativen bekommt. Seine | |
Fraktion wiederum hat kurz zuvor geklatscht, als CDU-Fraktionschef Frank | |
Henkel sagte, Solidarität mache nicht an Ländergrenzen Halt -"in dieser | |
Stunde sollten alle an der Seite Japans stehen". | |
Die Redner müssen einen Spagat wagen: Sie sollen Solidarität bekunden, | |
gleichzeitig klar Stellung zur Atompolitik beziehen und doch nicht in den | |
Verdacht kommen, die Katastrophe zu instrumentalisieren - an diesem | |
Nachmittag ein immer wieder gehörter gegenseitiger Vorwurf. | |
SPD-Fraktionschef Michael Müller schafft einen sanften Übergang. | |
Bezugsgröße sind immer wieder Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
(CDU) kurz zuvor im Bundestag. Keinen Erkenntnisgewinn habe ihre Rede | |
gebracht, sagt Müller, klare Ansagen seien ausgeblieben. Berlin hingegen | |
will am heutigen Freitag eine Initiative zum Atomausstieg in den Bundesrat | |
einbringen. Müller räumt aber ein, eine Energiewende sei "nicht von heute | |
auf morgen möglich". | |
Da ist er nicht ganz weit von Henkel, der sagt, die Atomkraft sei durch | |
erneuerbare Energien "nicht über Nacht" zu ersetzen. Er verteidigt Merkel: | |
Es sei richtig, nun innezuhalten und die Sicherheitsstandards noch mal | |
gründlich zu überprüfen. | |
Linken-Fraktionschef Wolf antwortet ihm ruhig, aber deutlich. "Es wird | |
Zeit", sagt er, "mit der Selbstbetrügerei und der Rumeierei aufzuhören." | |
Der von Merkel und nun auch von Henkel verwendete Begriff von "Augenmaß" | |
habe "ein bisschen was von Verhöhnung der Öffentlichkeit." | |
Die Grünen-Fraktion verfolgt die Debatte durchweg in Schwarz gekleidet. | |
Generell dominieren dunkle Farben, von wenigen Ausnahmen abgesehen - etwa | |
Emine Demirbüken-Wegner (CDU) im roten Kleid genauso wie Annette | |
Fugmann-Heesing (SPD) im roten Blazer. Fraktionschef Volker Ratzmann sagt, | |
der sofortige Atomausstieg sei möglich, "auch ohne dass die Lichter | |
ausgehen". | |
Spätestens als FDP-Fraktionschef Christoph Meyer am Rednerpult steht, ist | |
es mit der gemäßigten Tonlage im Parlament vorbei. "Ordinäre Eitelkeiten", | |
"plumpen Wahlkampfpopulismus" und eine Besserwisserkampagne sieht Meyer bei | |
Rot-Rot-Grün. Ratzmann und Wolf würden mit den "Ängsten der Menschen | |
spielen". Am Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) liegt es, die | |
Debatte ruhig zu beenden, auch wenn er klar Stellung für einen Atomausstieg | |
bezieht. "Man ist es den Opfern schuldig", sagt er, "Lehren aus einer | |
Politik zu ziehen, die in die Leere führt." | |
17 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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