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# taz.de -- Interview mit Bischof Markus Dröge: "Der Mensch ist zur Wahrheit b…
> Es ist Fastenzeit. Die evangelische Kirche schlägt etwas Besonderes vor:
> sieben Wochen auf Ausreden verzichten. Die taz nimmt das zum Anlass,
> einige Fragen zu stellen - an Landesbischof Markus Dröge.
Bild: "In Berlin wird man schnell akzeptiert": Landesbischof Markus Dröge.
taz: Herr Dröge, auf der Website der Evangelischen Kirche in Deutschland
steht in einer Fürbitte für Japan: "Wo warst Du, Gott, als das Chaos in
Deine gute Schöpfung einbrach?" Müsste man nicht ehrlicherweise sagen: Das
Chaos gehört zur Welt?
Markus Dröge: Die Natur, die Schöpfung hat ihre grausamen Seiten. Das weiß
auch die Bibel, wenn sie vom "Tohuwabohu" redet, aus dem Gott die Schöpfung
entstehen lässt. Manchmal haben wir romantische Vorstellungen von der
Natur, die zerbrechen, wenn wir solche Katastrophen sehen. Für manche
Menschen zerbricht auch das Gottesbild, weil sie es sich nur harmonisch
wünschen. Aber hinter der Frage, wie Gott so etwas zulassen kann, steht das
Verständnis, dass Gott wie ein Programmierer die Welt lenkt. Das biblische
Verständnis ist ein anderes: Gott ruft den Menschen in die Verantwortung
für die Schöpfung, er programmiert ihn nicht. Gott leidet selbst, wenn
Menschen leiden, und fordert sie auf, einander zu helfen. Deshalb rufen wir
zum Gebet. Wir haben aber auch eine Partnerkirche in Japan, die wir gefragt
haben, wie wir sie am besten unterstützen können.
Noch mal zum Stichwort Ehrlichkeit: In dieser Fastenzeit empfiehlt die
evangelische Kirche "sieben Wochen ohne Ausreden". Warum nur sieben Wochen?
Weil die Kirche weiß, wie menschlich das Lügen ist?
Solche Fragen bekommen wir auch zu Weihnachten gestellt: Ob man wirklich
nur an einem Tag die Botschaft des Friedens bedenken soll. Auch jetzt gilt:
Natürlich sollen wir immer ehrlich und aufrichtig sein. Aber es ist
wichtig, sich dies zu bestimmten Zeiten wieder ins Bewusstsein zu rufen und
einzuüben. Dahinter steht die christliche Botschaft, dass der Mensch
berufen ist, zur Wahrheit zu stehen und die Widerstände auszuhalten, die
sich daraus ergeben.
Müssen Sie selbst wegen der Aktion auch anders reden?
Ich muss mich da nicht besonders verändern. Ich stehe immer auf dem
Prüfstand und muss zu dem stehen, was ich sage.
Sie sind jetzt knapp anderthalb Jahre im Amt. Fühlen Sie sich angekommen in
Berlin? Und was machen Sie anders als Ihr Vorgänger Wolfgang Huber?
Ich fühle mich gut angekommen und angenommen. In Berlin wird man schnell
akzeptiert, was sicherlich daran liegt, dass eine Metropole gewohnt ist,
sich auf neue Leute einzustellen. Was ich anders mache als Bischof Wolfgang
Huber, liegt weniger im inhaltlichen Bereich, wir sind uns theologisch sehr
ähnlich. Aber ich komme von der Praxis, ich war 25 Jahre Pfarrer und habe
im ersten Jahr viel Wert darauf gelegt, die Landeskirche kennenzulernen.
Die Mitgliederzahl dieser Kirche sinkt beständig. In Berlin hat sie keine
700.000 Mitglieder mehr, vor zehn Jahren waren es noch über 800.000. Ist
dieser Trend umkehrbar?
Warum fragt man das uns als Kirche immer wieder? Warum fragt man das nicht
auch den DGB, dessen Gewerkschaften in den letzten zehn Jahren 2 Millionen
Mitglieder verloren haben? Warum fragt man nicht die Partei der Linken,
warum sie bundesweit nur 70.000 Mitglieder hat? Es ist ein
gesellschaftlicher Trend, dass sich die Mitgliedschaften ausdifferenzieren.
Daran haben wir teil. Aber der Einfluss der Kirche liegt ja nicht nur an
der Zahl der Mitglieder. Wie die Gewerkschaften hat auch die Kirche eine
Bedeutung um der Sache willen. In unserem Fall die Botschaft des
Evangeliums, dass der Mensch eine Würde hat, berufen ist zur Freiheit, zur
Verantwortung für die Mitmenschen.
Unter Katholiken gibt es die Sichtweise: Lieber weniger, aber überzeugtere
Mitglieder.
Ich stehe so einer Haltung kritisch gegenüber. Es ist eine Illusion, zu
glauben, dass man, wenn man schrumpft, automatisch zum Wesentlichen
schrumpft.
Kirchenkritiker bemängeln immer lauter die Finanzierung der Kirchen, die
teilweise direkt aus den Landesetats erfolgt. Da fließen jährlich etliche
Millionen. Wäre es Ihnen lieber, die Kirche hätte diese Mittel nicht nötig?
Die aktuelle Diskussion ist oft verzerrt. Es wird so getan, als finanziere
der Staat eine Lobbygruppe überproportional, nämlich die Kirche. Das stimmt
nicht. Wir haben eine subsidiäre Funktion. Als evangelische Kirche nehmen
wir wie andere Organisationen auch Aufgaben in Kitas oder Schulen wahr, die
sonst der Staat wahrnehmen muss. Er überträgt sie aber uns, weil er das
Vertrauen hat. Und er kontrolliert auch, dass wir diese Aufgabe gut
erledigen. Das ist der Grundgedanke der Zivilgesellschaft. Was wir und
andere freie Träger bei der Bildung tun, ist für den Staat sogar günstiger,
weil wir unsere Arbeit mit eigenen Mitteln unterstützen. Die Diskussion
muss also erst einmal auf die Füße gestellt werden.
Aber die sogenannten Staatsleistungen sind nicht an konkrete Aufgaben wie
Kitas oder Schulen gebunden.
Bei den Staatsleistungen unterstützt Berlin Weltanschauungsgemeinschaften
"nach Größe und Bedeutung". Auch der Humanistische Verband wird
unterstützt, mit 580.000 Euro jährlich. Wir als evangelische Kirche
erhalten 7,69 Millionen Euro. Wenn Sie das umrechnen auf unsere knapp
700.000 Mitglieder und die 4.000 oder 5.000 Mitglieder des Humanistischen
Verbands, dann wird der Humanistische Verband mit 120 bis 140 Euro pro Kopf
unterstützt und unsere Kirche mit nur 11 Euro.
Im September besucht der Papst Berlin. Seine Verdienste um die Ökumene
sind, gelinde gesagt, umstritten. Freuen Sie sich auf diesen Besuch?
Ich denke, es wird ein historisch wichtiger Besuch. Dieser Papst ist
deutscher Theologieprofessor, er ist hier mit der evangelischen Theologie
und Kirche aufgewachsen. Aber wir haben tatsächlich ein Problem in der
Ökumene. Der damalige Kardinal Ratzinger hat im Jahr 2000 sehr deutlich
gemacht, dass nur die römisch-katholische Kirche im eigentlichen Sinne
Kirche sei. Das können wir theologisch nicht akzeptieren. Und ich erwarte
jetzt vom Papst, dass er in Deutschland sagt, was die Reformation an
Positivem für die Christenheit gebracht hat.
Immer wichtiger wird der christlich-muslimische Dialog. Viele evangelische
Pfarrer äußern Enttäuschung darüber, dass Muslime oft wenig Interesse am
Austausch zeigen. Mal radikal gefragt: Was bringt überhaupt ein Dialog, bei
dem beide Partner für sich die alleinige Wahrheit beanspruchen?
Mir ist erst mal wichtig, die Probleme des Verstehens deutlich zu machen.
Das hat die EKD mit der Schrift "Klarheit und gute Nachbarschaft" getan.
Und wir müssen verteidigen, was in unserer Gesellschaft an Werten gewachsen
ist. Ich habe das "Leitkultur" genannt, aber nicht im engeren Sinne einer
christlich geprägten Kultur, sondern einer demokratischen, auf Dialog
ausgerichteten Gesellschaft, die sich an den Menschenrechten orientiert.
Zugleich müssen wir mit den muslimischen Mitbürgern ins Gespräch über
unterschiedliche Glaubensvorstellungen kommen. Nehmen Sie die Lehre der
Trinität: Es ist schmerzlich für mich, wenn Muslime denken, wir Christen
glaubten an drei Götter. Das ist ein Missverständnis. Wenn wir über
religiöse Themen sprechen, kann man Differenzen stehen lassen, aber auch
Gemeinsamkeiten entdecken.
Lassen sich auch neue Gemeinsamkeiten entwickeln?
Erst mal müssen wir gemeinsame Themen finden. Was uns mit den Muslimen
verbindet, ist etwa die Überzeugung, dass Religion ein Faktor der
Öffentlichkeit ist, aber auch der Einsatz für die Armen. Wir teilen auch
die Forderung, dass eine Gesellschaft einen Feiertag braucht. Ich weiß,
dass Muslime sich mit engagieren, wenn wir uns für den Sonntag einsetzen,
obwohl ihr Feiertag der Freitag ist. Weil sie unsere Überzeugung teilen,
dass die Gesellschaft einen Feiertag braucht. Wenn erst der Sonntag fällt,
wird es auch schwieriger, muslimische Feiertage zu verteidigen.
18 Mar 2011
## AUTOREN
Claudius Prösser
Marie-Claude Bianco
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