# taz.de -- Lesung für Autor Liu Xiaobo: Freiheit dem Selbstzweifler | |
> In Berlin fand eine Lesung für die Freilassung des chinesischen | |
> inhaftierten Autors und Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo statt. | |
Bild: Aktivisten von AI tragen im Rahmen einer Aktion Masken mit dem Gesicht de… | |
BERLIN taz | "Freiheitskämpfer kann man, glaube ich, in zwei Grundtypen | |
einteilen: den Typus des Selbstüberschätzers und den Typus des | |
Selbstzweiflers… Bei Liu Xiaobo aber haben wir beides in einer Person. Und | |
das macht ihn so wahrhaftig." | |
Dies ist wohl das Prägnanteste, was je über den Friedensnobelpreisträger | |
Liu Xiaobo geschrieben wurde. Vorgetragen wurde es von der | |
Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller auf einer Lesung für die | |
Freilassung Liu Xiaobos. Sie saß auf dem Podium des Berliner Martin Gropius | |
Baus - gemeinsam mit den Schauspielern Eva Mattes und Roland Schäfer, dem | |
Rechtsanwalt Peter Raue und Ulrich Schreiber vom Internationalen | |
Literaturfestival. | |
Letzterer hatte die Lesung initiiert - und nicht nur diese, sondern | |
zeitgleich 171 Lesungen in 96 Städten weltweit. Ein gutes Timing: Um die | |
Meinungsfreiheit ist es in China gerade wieder schlecht bestellt. Im | |
Zusammenhang mit Jasminrevolution und Volkskongress sind wieder Dutzende | |
Menschenrechtler verschwunden. | |
Liu Xiaobo wurde im Dezember 2008 verhaftet und im Dezember 2009 zu elf | |
Jahren Haft verurteilt, sodass er den Nobelpreis 2010 nicht entgegennehmen | |
konnte. Hauptanklagepunkt im Urteil gegen Liu Xiaobo war das | |
Bürgerrechtsmanifest Charta 08, das er mit verfasst hat. | |
Um dieses Urteil ging es Peter Raue. Er versuchte zu beweisen, dass das | |
Urteil auch systemimmanent nicht nachvollziehbar ist. Liu Xiaobo wurde | |
hauptsächlich wegen Aufstachelung zum Umsturz der Staatsmacht verurteilt. | |
Peter Raue stellte infrage, ob es sich bei einer "Feststellung dessen, was | |
man anders haben will", bereits um eine Aufstachelung handelt. Ein | |
wertvoller Hinweis für die nächsten Politikerbesuche in China. | |
Noch vor Raues Analyse war es aber der Text Herta Müllers, der am meisten | |
imponierte. Natürlich war Müller, die selbst lange Jahre mit dem | |
rumänischen Geheimdienst kämpfte, in ihrem Lebensthema. Die Sympathie, die | |
sie für ihn hat, geht darüber hinaus. | |
Herta Müller sprach beeindruckend über den Werdegang Liu Xiaobos vom | |
mutigen Selbstüberschätzer während der Demokratiebewegung 1989 zum | |
Selbstzweifler, dem abgepresst wurde zu gestehen, was nicht zu gestehen | |
war, um freizukommen. Liu Xiaobo hat sich dieses Geständnis nie verziehen. | |
Am Ende plädierte Herta Müller: "Liu Xiaobo ist auf unsere Unterstützung | |
angewiesen. Aber nicht nur er. Die Nervosität des Regimes wird größer. | |
21 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Xu Xiaoqing | |
Susanne Messmer | |
## TAGS | |
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“ | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Herta Müller liest in Berlin: Mit bildersatter Sprache | |
Nobelpreisträgerin Herta Müller las in Berlin aus ihrem neuen Essayband. | |
Poetische Sprachschöpfungen machen ihre Erfahrungen auch Desinteressierten | |
zugänglich. | |
Protestappelle in China: Regime fürchtet arabische Verhältnisse | |
Im Netz gab es Aufrufe zu einer chinesischen "Jasmin-Revolution". Demos | |
fanden keine statt, aber Festnahmen. Die Zensoren wüten. Liu Xia meldete | |
sich heimlich aus ihrem Hausarrest: "Ich weine." | |
EU-Aussenpolitik: Die Stimme Europas ist virtuell | |
Beim neu eingerichteten Europäischen Auswärtigen Dienst läuft noch nicht | |
viel. Nicht einmal alle Mitarbeiter sind ernannt und die Kompetenzen sind | |
noch unklar. | |
Kommentar Verhältnis USA-China: Nicht nur Heuchelei | |
China und die USA präsentieren sich als glückliche Handelspartner. Jenseits | |
der Imagepflege stehen sie vor großen Herausforderungen in der Innen-, | |
Außen- und Klimapolitik. |