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# taz.de -- Stellenabbau bei "Frankfurter Rundschau": Ein Jahr Galgenfrist
> Die angeschlagene "FR" wird bis auf die Regionalteile künftig in Berlin
> gemacht. Eine gemeinsame Chefredaktion unter Uwe Vorkötter soll beide
> Blätter leiten.
Bild: Hat harte Zeiten hinter und ebenso harte Zeiten vor sich: "Frankfurter Ru…
BERLIN taz | Es klingt zwar nach einem schlechten Aprilscherz, ist aber
echt: Bei der Frankfurter Rundschau, dem gebeutelten überregionalen
Qualitätsblatt, ist mehr als die Hälfte der Redaktion von der Kündigung
bedroht.
Eine solche Ansage hat es im deutschen Zeitungsmarkt seit dem Zweiten
Weltkrieg nicht mehr gegeben. Von den aktuell rund 190 Stellen in der
Redaktion könnten 88 gekündigt werden. Für die Hälfte der Betroffenen gibt
es beim de-facto-Zusammenschluss von Frankfurter Rundschau und Berliner
Zeitung neue Arbeitsplätze – in vielen Fällen verbunden mit dem Umzug von
Frankfurt nach Berlin. 44 Stellen werden direkt abgebaut, die Verhandlungen
mit Betriebsräten und Gewerkschaften laufen.
Die Musik spielt künftig in der Hauptstadt: Am Vormittag des 1. April 2011
verkündete Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Berliner Zeitung, seiner
Redaktion, dass sie künftig zwei Titel machen darf. Zur Unterstützung
seiner rund 120 Mitarbeiter kommen weitere 20 RedakteurInnen aus Frankfurt
an die Spree. Dafür findet alles Digitale fortan am Main statt.
Dass dies eine pragmatisch-verlagspolitische Entscheidung ist, um überhaupt
etwas Substanz zu halten im ehemaligen Straßenbahndepot, dem erst 2009
bezogenen neuen Domizil der FR, liegt auf der Hand. Hier erfährt am
Freitagvormittag zeitgleich die FR-Redaktion ihr neues Schicksal – und das
sie eine neue Chefetage hat. Die Stimmung ist eine Mischung aus Schock,
Starre und leiser Verzweifelung. Eine Stunde tragen die Verantwortlichen
vor. Bei den Nachfragen kommt Wut auf. Und auch die am Main verbleibenden
Regional- und Lokalredaktionen sollen komplett umgekrempelt werden und eine
neue, bislang unbekannte, Leitung bekommen.
Die immerhin wird in Frankfurt sitzen, doch die künftige Berlinfrankfurter
Rundschauzeitung (BFRZ) wird von einer einheitlichen Chefredaktion mit
klarem Schwerpunkt Berlin geleitet. Uwe Vorkötter führt sie nun auch ganz
offiziell als Chef beider Titel an, auch insgesamt dominierern in der
sechsköpfigen Chefmannschaft die Berliner.
## Digital in Frankfurt
Digitalchef wird der bisherige FR-Chefredakteur Rouven Schellenberger, der
erst 2007 von der Berliner Zeitung nach Frankfurt kam, Joachim Frank, sein
bisheriger Partner in der alten FR-Doppelspitze, wird als Chefkorrespondent
weggelobt. Das "Thema Augenhöhe", auf das bislang vor alem die
FR-Mitarbeiter gepocht hatten, sei "angesichts der finanziellen
Verhältnisse bei der FR kein Thema mehr", heißt es beim DuMont-Konzern, zu
dem beide Titel gehören.
Für diese Augenhöhe und eine möglichst gerechte Verteilung der Lasten hatte
sich vor allem Hauptgesellschafter und Konzernpatriarch Alfred Neven DuMont
bislang immer eingesetzt. Nun sagt auch er: "Anders ist die Existenz der
Zeitung nicht zu sichern". Bis 2013 will er endlich keinen Verlust mehr
sehen, trotz besserer Ausgangslage als in den Vorjahren schlug die FR 2010
nochmal mit 19 Millionen Euro Minus zu Buche.
"Unsere Galgenfrist wird um ein Jahr verlängert", kommentiert ein
FR-Mitarbeiter. Für sie, "die Tag für Tag eine hervorragende und geradezu
leidenschaftliche Arbeit leisten, ist der Umbau der Organisation mit
durchaus schmerzlichen Einschnitten verbunden. Arbeitsplätze gehen
verloren", schreibt Neven DuMont in einem Beitrag, der am Samstag in beiden
Blättern erscheint und verspricht: "Das, was die Frankfurter Rundschau in
Ton und Meinung auszeichnet, bleibt auch unter diesen Bedingungen
erhalten."
Doch hier sind Zweifel angebracht – sind die Berliner in der Lage, eine FR
zu produzieren, die nicht ein zweiter verbesserter Aufguss der Berliner
Zeitung ist? Wie sollen hesssiche, regionale, lokale Blickwinkel auf die
Bundespolitik möglich sein, die doch entscheidend sind für ein Blatt, das
rund zwei Drittel seiner gerade noch gut 75.000 Abos im Rhein-Main-Gebiet
absetzt?
Das ahnt man wohl auch in Berlin, wo künftig die überregionalen Ressorts
von einer jeweils aus Berliner Zeitung und FR besetzten Doppelspitze
geleitet werden sollen. Und noch einen Garanten gibt es für eine
Unterscheidbarkeit beider Blätter: Sie haben ein unterschiedliches Format,
bei dem die Frankfurter Rundschau seit der Umstellung auf das handliche
Tabloid 2007 schon immer deutlich kleiner war als die Berliner Zeitung.
1 Apr 2011
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
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