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# taz.de -- Studie der Otto-Brenner-Stiftung: Irre: BILD ist gar keine Zeitung
> Ein Ex-DGB-Sprecher und ein Ex-FR-Chefredakteur haben die
> Euro-Berichterstattung der "Bild"-Zeitung untersucht. Sie verstößt gegen
> alle Regeln des Journalismus.
Bild: So würde "Bild" über die Studie berichten - meinen die Studienmacher - …
Springers Bild sieht sich selbst gern als einflussreichste Zeitung der
Republik. "Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im
Aufzug nach unten", hat Springer-Vostand Mathias Döpfner schon vor ein paar
Jahren zu Protokoll gegeben.
Und damit ganz unfreiwillig genau ins Schwarze getroffen: Das Blatt, so
argumentieren in ihrer Studie "Drucksache Bild" die Autoren Hans-Jürgen
Arlt und Wolfgang Storz, ist nämlich eher Mechanik und
Meinungsmache-Paternoster als Zeitung. "Bild ist im Kern kein
journalistisches Medium", schreiben Arlt und Storz.
Das Blatt bediene sich zwar "des journalistischen Handwerks" - aber nur
manchmal. Und dann auch "nie, um Ziele des Journalismus zu verfolgen,
sondern nur, wenn es den eigenen Zwecken nützt". Wer Bild nur anhand
journalistischer Kriterien untersuche, "verfehlt Wesentliches - als ob das
Wichtigste an einer Kuh ihr Fell wäre." Denn Bild geht es nicht um
Journalismus - sondern um plakative Botschaften.
Ihre Thesen entwickeln die Autoren mit Blick auf die Bild-Berichterstattung
zur Euro-Krise im vergangenen Jahr. Da hatte es dem Blatt vor allem
Griechenland angetan: Bild forderte, das Land aus der Euro-Zone zu
schmeißen und schickte einen Reporter nach Athen, der den verdutzen
Einwohnern schon mal wieder Drachmen in die Hand drückte. "Der fleißige
deutsche Steuerzahler darf von den faulen betrügerischen Griechen auf
keinen Fall ausgenutzt werden. Das heißt: Keine Hilfe für Griechenland" ,
fasst die Studie den Tenor von Bild zusammen.
Und diesem chauvinistischen Ansatz würden nun alle Nachrichten, Aspekte,
Akteure, Thesen und Forderungen untergeordnet, "die einer dieser
Botschaften bestätigend zuzuordnen sind. Alles andere wird ignoriert. So
entsteht eine ganz eigene Sicht auf die Ereignisse, die Bild immer exklusiv
hat. Es ist eine Bild-Welt." Aber kein Journalismus.
## Burkhard Müller-Sönksen
Dazu passend werden in Bild auch stets die Gesprächspartner ausgesucht.
Hierbei kommt es der Redaktion nicht auf deren Stellung im politischen
Leben oder ihre Fachkompetenz an, "sondern auf deren Bereitschaft,
dasjenige öffentlich zu sagen, was ins Konzept beziehungsweise die
Kampagnenführung von Bild passt". Damit liegen die Autoren richtig - und
erklären auch gleich die große Beliebtheit von Bild bei Hinterbänklern: Der
FDP-Medienpolitiker Burkhard Müller-Sönksen schafft es beispielsweise immer
mal wieder mit kruden, durch nichts belegte Aussagen auf die vorderen
Seiten.
Da erklärt Müller-Sönksen dann zum Beispiel, ARD und ZDF würden durch die
Reform der GEZ-Gebühr ab 2013 weitere Milliarden scheffeln. Das ist zwar
Quatsch, passt aber prima ins Welt-Bild vom auf Kosten der Allgemeinheit
gemästeten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und erfreut ganz nebenbei die
Privatsender, mit denen Bild längst nicht nur bei Themen wie "DSDS" oder
"Germany's next Top-Model" in schönster Symbiose lebt.
Dabei setzt Bild, wie der Boulevardjournalismus insgesamt, auf radikale
Vereinfachung. Und diese wenigen Botschaften werden - wie die von den
faulen Griechen, die es sich auf Kosten des deutschen Michels gut gehen
lassen - "über Wochen hinweg in verschiedenen Formen (Interviews, Aktionen,
Kommentare, Berichte) in inhaltlich und sprachlich vertrauten Variationen
wiederholt", stellen Arlt und Storz fest. Und das sei eindeutig "ein
Instrument der Werbung, der werblichen Kampagnenführung und keines des
Journalismus", der nun mal das Ziel hat, Neues und vor allem
Differenziertes zu liefern.
Hier springen die Autoren allerding zu kurz, obwohl sie sich in beiden
Feldern, Journalismus wie Werbung, auskennen: Arlt war lange oberster
PR-Mann beim Deutschen Gewerkschaftsbund, Storz ist ehemaliger
Chefredakteur der Frankfurter Rundschau. Denn was Bild hier betreibt, ist
noch ein bisschen mehr - nämlich Propaganda. Dazu passt auch, dass je nach
Gusto Ereignisse dramatisiert und entdramatisiert werden oder das Blatt
eine 180-Grad-Wende vollführt, gern signalisiert durch die beliebte
Schlagzeile "Jetzt spricht das Opfer". Die Griechen kamen allerdings nicht
zu Wort.
Vielmehr gerierte sich Bild hier "als eine Art außerparlamentarische
Opposition, die allerdings kein Interesse daran hat, dass das Volk selbst
sich wehrt", schreiben Arlt und Storz . Damit unterscheide sich das Blatt
jedoch so grundsätzlich von journalistischen Medien und ihrer Aufgabe, dass
es sich damit eigentlich "selbst aus dem massenmedialen System
herausnimmt". Genau das unterscheidet Bild auch von anderen
Boulevardzeitungen in Deutschland, aber auch von den Urmüttern des Genres
in Großbritannien: Gegen Bild ist selbst Rupert Murdochs Sun noch
differenziert.
Auftragggeber der Studie ist die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung,
die auch den Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus vergibt.
Volltext und Material unter [1][www.bild-studie.de.]
6 Apr 2011
## LINKS
[1] http://www.bild-studie.de./
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
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