# taz.de -- Würdigung von Werner Schroeter: Aufs bürgerliche Leben gepfiffen | |
> Das Filmportrait "Mondo Lux" und die Autobiografie "Tage im Dämmer, | |
> Nächte im Rausch" erinnern an Werner Schroeter, den großen Exzentriker | |
> des deutschen Films. | |
Bild: Werner Schroeter. | |
Werner Schroeter sitzt neben Rosa von Praunheim auf einem Sofa, ein | |
Plüschtier in den Armen, einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf, und raucht. | |
"Du wolltest noch erklären, was der Unterschied zwischen einem Tumor und | |
mir ist", sagt von Praunheim. Schroeter antwortet: "Der Tumor heißt | |
Mireille und legt sich um meinen Kehlkopf wie eine etwas eingeschnappte | |
Crevette, und er ist in mir. Du sitzt neben mir." | |
Werner Schroeter war der Exzentriker des Neuen Deutschen Films, ein | |
Regisseur mit einer Vorliebe für die Oper, den Schlager und die | |
italienische Volksmusik, mit einer erklärten Abneigung gegen stringente | |
Filmerzählungen und psychologisch eindimensionale Figuren, mit dem seltenen | |
Talent, Hochkultur und Populäres produktiv zu verschmelzen, und der noch | |
selteneren Gabe, fast ohne Geld große Kunst zuwege zu bringen. Und nicht | |
zuletzt mit einer Vita, die auf bürgerliche Sicherheiten pfiff. | |
Er reiste unermüdlich, lebte bei Freunden und in Hotels, scharte eine | |
Ersatzfamilie um sich, war schwul, ließ künstlerische Arbeit, Liebes- und | |
Freundschaftsbeziehungen ineinanderfließen, nahm Drogen, trank und ließ es | |
wieder sein, und er musste miterleben, wie zahlreiche seiner Weggefährten | |
erkrankten. Die für ihn so zentral wichtige Schauspielerin Magdalena | |
Montezuma etwa starb 1984 an Krebs, sein Geliebter Marcelo Uriona 1993 an | |
den Folgen einer HIV-Infektion. | |
Am 12. April 2010 erlag Schroeter selbst dem Krebsleiden, das vier Jahre | |
zuvor diagnostiziert worden war. Zu seinen letzten Arbeiten zählt der in | |
Portugal gedrehte Film "Diese Nacht", eine freie Adaption des Romans von | |
Juan Carlos Onetti. | |
## "Mondo Lux" | |
Die vergnügte Sofaplauderei mit Rosa von Praunheim findet sich in Elfi | |
Mikeschs Film "Mondo Lux - Die Bilderwelten des Werner Schroeter", einem | |
einfühlsamen Künstlerporträt. Als Kamerafrau hat Mikesch oft mit Schroeter | |
zusammengearbeitet, unter anderem für die Filme "Der Rosenkönig" (1986), | |
"Malina" (1991) und "Deux" (2002). | |
In "Mondo Lux" begleitet sie den von der Krankheit sichtlich gezeichneten | |
Filmemacher im Herbst 2008 nach Wien und Venedig, wo er für sein Lebenswerk | |
geehrt wird, sie schaut ihm 2009 bei den Proben zu "Antigone/Elektra" an | |
der Berliner Volksbühne zu und bei der Synchronisierung von "Diese Nacht". | |
Hinzu kommen zahlreiche Ausschnitte aus Schroeters Filmen und | |
Inszenierungen sowie Gespräche mit Weggefährten wie Wim Wenders oder Ingrid | |
Caven. | |
Eine wunderbare Ergänzung zu Mikeschs Filmporträt ist die postum | |
erschienene Autobiografie "Tage im Dämmer, Nächte im Rausch", die Schroeter | |
mit Unterstützung der Berliner Filmpublizistin Claudia Lenssen verfasst | |
hat. Stärker als der Film nimmt das Buch die frühen Jahre ins Visier, das | |
Vermächtnis der fantasiebegabten Großmutter, Schroeters Schulzeit in | |
Bielefeld und Heidelberg, seinen ersten Kontakt mit Neapel im Alter von 16 | |
Jahren, den frühen Außenseiterstatuts, der freilich nie in Verbitterung und | |
Verzweiflung umschlug, sondern etwas Befeuerndes hatte - und sei es, weil | |
Erlebnisse aus der Teenagerzeit Jahrzehnte später im Film | |
wiederauftauchten. | |
Als Schroeter 13 Jahre alt war, wurde er einmal von einem etwas älteren | |
Freund auf dem Fahrrad mitgenommen. Der Ältere erhängte sich wenig später. | |
2002 findet sich die Szene in "Deux" wieder. An Schroeters Stelle setzt | |
sich Isabelle Huppert auf das Fahrrad. | |
## Tragisches Weltempfinden | |
Was sowohl das Buch als auch der Film in Erinnerung rufen, ist, auf wie | |
viel Ablehnung Schroeter in Deutschland stieß. Das ging so weit, dass ihm | |
etwa 1980 ein Regieauftrag in Augsburg entzogen wurde. In einem Interview | |
mit der Zeit hatte er sich über den damaligen Kanzlerkandidaten Franz Josef | |
Strauß geäußert. Man müsse ihm ein "kleines Bömbchen in Form einer | |
Weißwurst zu essen geben", sodass "er zerplatzt". | |
Der CSU-Politiker sah in diesen Sätzen einen öffentlichen Aufruf zum Mord | |
und setzte alle Hebel in Bewegung, um die Inszenierung von Richard Strauss' | |
"Salomé" zu verhindern - mit Erfolg. Trotzdem ließ sich Schroeter nicht | |
einschüchtern. "Dass man mich in diesem Komplott Ratte und Ungeziefer | |
nannte, deprimierte mich natürlich, aber ich wollte mich weiterentwickeln." | |
Ein Schlüsselbegriff in der Autobiografie ist der des tragisches | |
Weltempfindens. Früh, sagt Schroeter, trieben ihn eine eigentümliche | |
Todessehnsucht und der Hang zum Pathos an. Doch daneben, daran lassen Buch | |
und Film keinen Zweifel, behaupteten sich Heiterkeit, Gelassenheit und eine | |
Menge Galgenhumor. | |
## "Mondo Lux - Die Bildwelten des Werner Schroeter". Regie: Elfi Mikesch, | |
Deutschl. 2011, 97 Min. Werner Schroeter (mit Claudia Lenssen): "Tage im | |
Dämmer, Nächte im Rausch". Aufbau-Verlag Berlin, 408 Seiten m. zahlr. Abb., | |
22,95 Euro | |
7 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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