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# taz.de -- Ausstellung über Eichmann-Prozess: Mehr als ein kleines Rädchen
> Die Berliner "Topographie des Terrors" zeigt eine Ausstellung zum 50.
> Jahrestag des Prozesses gegen Adolf Eichmann, den Manager des Holocaust.
Bild: Adolf Eichmann, der Organisator der "Endlösung", zu Beginn seines Prozes…
Adolf Eichmann spricht: "Ich mache eine Arbeit entweder stur, und sie wird
mich bestimmt nicht freuen. Oder ich mache eine Arbeit, wenn ich die
Notwendigkeit oder den Sinn zu fassen vermag, und werde sie gerne machen.
Die Zeit wird mir wie im Fluge vergehen, und so war es mit den Juden
gewesen." Dazu sieht man den ehemaligen Leiter des Referats IV B 4
"Judenangelegenheiten" im Bild: höflich vor Gericht aufrecht stehend,
bestimmt.
Exakt gegenüber sprechen die überlebenden Opfer, so wie Franz Maier, in der
NS-Zeit Mitglied der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland": "Ich
dachte früher, dass dies ein niedriger Amtsträger war, ein Typ, den man
'Beamter' oder 'Bürokrat' nennt, der seine Aufgaben erfüllt, Berichte
schreibt etc. Und hier traf ich einen Mann mit der Haltung eines
Herrschers, der über Leben und Tod entschied. Er empfing uns grob und
erlaubte uns nicht, uns seinem Schreibtisch zu nähern."
Die Bildschirme, auf denen die Aussagen von verschiedenen Zeugen und dem
einen Angeklagten zu sehen sind, bilden den Kern einer Ausstellung, die in
Berlin anlässlich des 50. Jahrestags des Eichmann-Prozesses in Jerusalem zu
sehen sind. Es war ein Glücksfall, dass die israelische Regierung 1961
einem US-amerikanischen Dokumentarfilmer erlaubte, den Prozess zu filmen.
Die Bilder waren damals in der ganzen Welt zu sehen, auch in Deutschland,
wo die ARD gleich nach der "Tagesschau" unter dem Titel "Eine Epoche vor
Gericht" 36 Sondersendungen ausstrahlte, die von durchschnittlich 50
Prozent aller Fernsehzuschauer verfolgt wurde.
## Erhebliches Maß an furchtbarer Eigeninitiative
Heute vermögen die Schwarz-Weiß-Bilder und ihr leicht scheppernder Ton
einen Eindruck von dem Prozess zu bilden, den simple Gerichtsprotokolle
nicht vermitteln könnten. Der Eichmann-Prozess, so viel wird deutlich, war
gleich in mehrfacher Hinsicht eine Wende in der Aufarbeitung der
nationalsozialistischen Gewaltverbrechen: Keineswegs nur, weil sich hier -
nach Nürnberg - einer der Hauptschuldigen rechtfertigen musste und nach der
Verurteilung seiner Strafe - dem Tod durch den Strang - zugeführt wurde.
Der Prozess in Jerusalem bildete zugleich den Auftakt einer
Auseinandersetzung mit den Tätern und den Opfern. In Israel, wo das falsche
Bild der angeblich sich nicht wehrenden Juden in der Todesmaschine so gar
nicht zum Gründungsmythos des starken jüdischen Volkes zu passen schien,
gab das Verfahren den Opfern eine Stimme. Erst danach überwanden viele
Überlebende ihre Scham und berichteten in der Öffentlichkeit über das, was
ihnen und ihren Familien angetan worden war.
In der Bundesrepublik Deutschland ermöglichte der Prozess nach einem
Jahrzehnt des Schweigens die ersten öffentlichen Debatten über die eigene
Schuld. Mit dem Prozess begann zudem die Ära der Zeitzeugen, die sich erst
heute mit dem Tod der letzten Überlebenden dem Ende zuneigt. Und
schließlich war das Verfahren gegen Adolf Eichmann ein Nukleus für die
juristische Auseinandersetzung mit den Tätern, die nur einige Jahre später
in den Auschwitzprozessen in Frankfurt am Main gipfelte.
Ob freilich alle Schlussfolgerungen, die sich durch das Verfahren
eingeprägt haben, richtig sind, ist eine andere Frage, die die Ausstellung
nicht zu beantworten vermag, denen aber der lesenswerte Katalog nachgeht.
So haben neuere Forschungen längst nachgewiesen, dass Eichmann eben nicht
nur der "Schreibtischtäter" oder gar das "kleine Rädchen im Getriebe" des
Massenmords war, als das er sich selbst in Jerusalem darzustellen verstand.
Der angeblich so unauffällige Bürokrat mit der Hornbrille verfügte über
bedeutend mehr Kompetenzen, als nur Fahrplanhefte für die Deportationszüge
im Auftrag seiner Vorgesetzten auszuarbeiten. Eichmann war ein Manager des
Massenmords mit einem erheblichen Maß an furchtbarer Eigeninitiative.
Die Ausstellung in der Topographie des Terrors, dort, wo bis 1946 mit dem
Reichssicherheitshauptamt die Terrorzentrale der Nazis stand, verzichtet
auf jegliche Effekte. Sie bildet ab, was 1961 geschah und wie das
Geschehene damals aufgenommen wurde. Sie erzählt betont sachlich den
Lebensweg Eichmanns, von der Kindheit in Linz über seinen Aufstieg zum
"Spediteur des Todes" bis zu seiner Flucht nach Argentinien, wo er unter
dem Namen Ricardo Klement bis zu seiner Entführung durch den Mossad lebte.
Sie zeigt auf großen Bildtafeln, wie Zentren jüdischen Lebens in Europa
vernichtet wurden. Es ist keine Ausstellung über Adolf Eichmann, sondern
über einen Prozess, der Geschichte schrieb.
Der Prozess - Adolf Eichmann vor Gericht. Sonderausstellung im
Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, Berlin. Bis zum 18.
September 2011, täglich von 10 bis 20 Uhr, Eintritt frei. Der Katalog (251
Seiten) kostet 15 Euro.
6 Apr 2011
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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